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Mit Data Science die Welt verbessern

22.09.2021

Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen finden – das interessiert viele Studierende. Nach dem erfolgreichen Sommerprogramm DSSGx, das von LMU/MCML-Wissenschaftlern mitorganisiert wurde, laufen bereits Vorbereitungen für 2022.

„In einer Stunde beginnt mein nächstes Meeting, ich habe leider nicht viel Zeit“, lacht Utku Can Ozturk in die Kamera. Der LMU-Student, zugeschaltet aus der Türkei, doch dort war er nicht in den Ferien – sondern am Arbeiten: in Meetings und beim Codes schreiben und bereinigen. Daten, Zahlen, Codes und Algorithmen, das hört sich eher nach Pflichtprogramm an. Doch Utku, angehender Data Scientist, war einer von 16 handverlesenen Studierenden aus der ganzen Welt, die an dem zwölfwöchigen Sommerprogramm Data Science for Social Good (DSSGx) UK 2021 teilnahmen, das sie mit sozial engagierten Projektpartnern zusammenbrachte. Ziel der Mission: Die Welt ein bisschen besser machen, ja, so kann man es durchaus sagen: Die Projektteams sollen gemeinschaftlich Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen finden.

Die Initiative Data Science for Social Good, die das Sommerprogramm organisiert, ist von der University of Warwick, Großbritannien, getragen. In diesem Jahr waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der LMU und des Munich Center for Machine Learning (MCML) maßgeblich beteiligt. Doch was genau zählt denn eigentlich als „Social Good“? Diese Frage beantwortet Professor Bernd Bischl, Lehrstuhl für Statistical Learning & Data Science und Ko-Direktor des Munich Center for Machine Learning (MCML) in seiner Rolle als DSSGx 2021 Programm-Direktor der LMU: „Für das Projekt können sich erst einmal alle gemeinnützigen Organisationen und Regierungsbehörden bewerben, die ein gemeinnütziges Projekt vorantreiben möchten.“ Jedes der sorgfältig ausgewählten Projekte wird dann von einem kleinen Team aus Studierenden bearbeitet und von eigens dafür eingestellten technischen Mentoren,Projektmanagerinnen und Projektmanagern betreut.

Die diesjährigen Projekte beschäftigten sich mit dem Aufdecken von Korruption in Paraguay, der Kartierung von Bevölkerungsgruppen ohne Internet in Brasilien und Thailand, oder dem Priorisieren von Umwelt-Beschwerden in Chile. Ein weiteres Projekt beschäftigte sich, in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), mit der Konjunkturprognose in Krisenzeiten, speziell in Deutschland und auf regionaler Ebene. Die Vorhersagen sollten verbessert werden, indem die Studierenden regionale Daten einbezogen.

Digitale Kommunikation als Menschenrecht

„In unserem Projekt arbeiten wir mit der International Telecommunication Union (ITU) und UNICEF zusammen“, erzählt Utku. Ziel des Projekts ist es, mehr Menschen den Zugang zu digitaler Kommunikation zu ermöglichen. Ohne Internet ist man in einer digitalen Welt von der Kommunikation und den News abgeschnitten, dabei tragen ebendiese einen großen Teil zu Bildung bei, argumentiert Utku.

Das Team hat deshalb erst einmal statistisch gearbeitet und mittels Daten von Satelliten, sozialen Medien und aus Umfragen heraus exemplarisch ermittelt, welche Regionen noch keinen Zugang zum Internet haben. „Unsere Idee ist es, Schulen gezielt mit Internet auszustatten. Denn sie sind häufig der Mittelpunkt einer Kommune oder eines Dorfes“, erklärt Utku. So könnte dann der digitale Zugang von den umliegenden Gemeinden gleich mitgenutzt werden. „Wir haben uns exemplarisch auf Brasilien und Thailand festgelegt. Mittels der Daten konnten wir dann einen Code schreiben, der dabei hilft, die Informationen leichter und schneller zu erfassen, jetzt können theoretisch alle Länder und Regionen geprüft werden.“

Zwischen Meetings, Key-lectures und Tech Coffee Breaks

Hochqualifizierte Studierende und Absolvierende für soziale Projekte zu sensibilisieren, das ist eines der Ziele des Sommerprogramms. Drei Monate verbrachten die Studierenden mit Coding, der Vorbereitung von Daten und der Evaluierung von Modellen. Unterstützung und Anleitung bekamen sie dabei von erfahrenen technischen Mentoren und Projektmanagern. In täglichen Meetings konnten sich die Studierenden untereinander vernetzen und regelmäßig mit den Projektpartnern und Projektpartnerinnen über die Projekte austauschen.

„Im Rahmen des Sommerprogramms bieten technische Mentoren und Projektmanagerinnen sowie Projektmanager den Studierenden ein hochqualifiziertes Training im technischen Bereich, aber auch im Projekt-Management, zusätzlich verbessern sie ihre Softskills wie etwa Teamwork und Kommunikation. Das anwendungsbezogene Projekt ermöglicht es den Studierenden, ein Projekt von Beginn an mitzuerleben und alle Schritte zu verfolgen. Kaum ein anderes Programm bereitet die Studierenden so intensiv und facettenreich für den Arbeitsmarkt vor“, erzählt Bischl.

„Bei der Auswahl der Projekte achten wir auf drei Komponenten“, erklärt Bischl: „Die gesellschaftliche Relevanz ist uns enorm wichtig. Wir möchten mit dem Sommerprogramm schließlich etwas in Bewegung setzen. Außerdem achten wir darauf, möglichst international zu arbeiten und zudem Projektpartner anzunehmen, die auf unsere Unterstützung angewiesen sind.“ Ähnliches gilt für die Studierenden: „In unseren Projekten arbeiten wir divers und international, und genau das sollen auch unsere Studierenden widerspiegeln“, erklärt Bischl. Auf 16 Plätze haben sich mehr als 470 Studierende beworben. Ausschlaggebend bei der Auswahl waren neben der Motivation der Studierenden auch ihre fachlichen Fähigkeiten und die Prämisse, die Plätze möglichst divers und international aufzuteilen. „Die Studierenden unterstützen wir auch mit einem Stipendium, damit sich wirklich jeder und jede unabhängig von den finanziellen Mitteln bewerben kann“, denn gerade in den Semesterferien erarbeiteten ja viele normalerweise ihr Einkommen.

Und wie geht es nach dem Sommerprogramm weiter?

Die zwölf Wochen sind jetzt zu Ende. Nach einem spannenden Keynote-Vortrag von Ben Goldacre stellten die Studierenden ihre Resultate und Projekte bei der Abschlussveranstaltung „DSSGx Datafest UK 2021“ vor. Bald werden die geschriebenen Codes veröffentlicht, sodass sie als Open-Source-Codes von Entwicklerinnen und Entwicklern der ganzen Welt verwendet werden können. Damit bleibt die Arbeit der Studierenden nicht nur für einen kleinen Kreis zugänglich, stattdessen können alle Interessierten mit den Codes arbeiten – oder sie verbessern.

Utku ist schon gespannt, wie sich das Projekt weiterentwickelt. Auch wenn er selbst nicht mehr das Projekt unterstützen kann, schließlich geht bald wieder die Uni los, wird er es natürlich weiterverfolgen. Der nächste große Schritt: Das Projekt soll den einzelnen Regierungen vorgestellt werden, um Finanzierungen zu beantragen und die Umsetzung zu beginnen.

Auch mit dem Sommerprogramm soll es weitergehen. „DSSGx 2021 in Kooperation mit der University of Warwick war ein Riesenerfolg und wir planen schon das kommende Jahr“, erzählt Bischl. Das Munich Center for Machine Learning ist sehr daran interessiert, DSSGx in der Zukunft fortzuführen.

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