News

Neuer Synapsen-Typ durch räumliche Proteomik entdeckt

28.03.2024

Forschende um LMU-Physiker Ralf Jungmann haben die superauflösende Bildgebungsmethode SUM-PAINT entwickelt, um die Proteinverteilungen in Neuronen zu kartieren, und sind dabei auf eine neue Art von Synapsen gestoßen.

Neuronaler Atlas mit 30 Proteinarten in einer räumlichen Auflösung, mit der einzelne Proteine visualisiert werden können. | © Caption: Eduard Unterauer. Copyright: Unterauer, et. al., Cell March 2024

Forschende um Ralf Jungmann am Max-Planck-Institut (MPI) für Biochemie und der LMU entwickelten in Zusammenarbeit mit Eugenio F. Fornasiero und Felipe Opazo, beide Arbeitsgruppenleiter am Institut für Neuro- und Sinnesphysiologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), sowie dem Helmholtz Munich, eine neue superauflösende Hochdurchsatz-Bildgebungsmethode. Durch die neue Technik konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen neuronalen Zellatlas in 3D mit Einzelmolekülauflösung erstellen und entdeckten dabei einen bislang unbekannten Synapsen-Typ. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht.

In der aktuellen Studie, die von Eduard Unterauer in Jungmanns Labor am MPI für Biochemie und der LMU geleitet wurde, stellen die Forscher SUM-PAINT vor. Dabei handelt es sich um eine technologische Neuentwicklung in der Superauflösungsmikroskopie, die nun erstmals eine sehr schnelle und praktisch unbegrenzte Visualisierung und Kartierung einer Vielzahl von Proteinen ermöglicht.

„Die Komplexität lebender Systeme reicht von ganzen Organismen und Geweben über den Aufbau komplexer zellulärer Netzwerke bis hin zur Organisation und Interaktion einzelner Biomoleküle. Damit wir diese Komplexität in ihrer Gesamtheit verstehen können, müssen sowohl der Ort als auch Identität und Interaktion einzelner Biomoleküle gleichzeitig untersucht werden. Man nennt solche Methoden, die mehrere Signale bündeln, Multiplexing-Methoden. Für ein umfassendes Verständnis der Proteinorganisation müssen insgesamt vier kritische Herausforderungen bewältigt werden: Empfindlichkeit, Durchsatz, räumliche Auflösung und Multiplexing-Fähigkeit“, erklärt Eduard Unterauer, Ko-Erstautor der Studie.

Das Team konzentrierte sich auf das komplexe Umfeld neuronaler Zellen des Gehirns und erstellte – zum ersten Mal überhaupt – einen neuronalen Atlas mit Einzelmolekülauflösung für 30 verschiedene Proteinarten. Dank des verbesserten Durchsatzes und der Multiplexing-Möglichkeiten konnten sie die Komplexität der synaptischen Proteinzusammensetzung von fast 900 einzelnen Synapsen entschlüsseln.

Um diese umfangreichen Datensätze weiter im Detail zu untersuchen, entwickelte das Forschungsteam eine durch Maschinelles Lernen gestützte Analysepipeline. Durch die Auswertung von 1.600 Merkmalen aus den Bildgebungsdatensätzen, wie beispielsweise Proteingehalt, Verteilung oder Form, entdeckten die Wissenschaftler einen bisher unbekannten Typ chemischer Synapsen. Diese Synapsen machen nur etwa ein Prozent aller Synapsen aus und wären mit anderen bildgebenden Verfahren nicht entdeckt worden.

Ein Blick auf bisher verborgene Details neurologischer Störungen

Ralf Jungmann | © Bernhard Haselbeck / MPIB

Mit SUM-PAINT stellt das Team einen integrierten Workflow für die Datenerzeugung und -analyse bereit, der von Forschenden auf der ganzen Welt eingesetzt werden kann. SUM-PAINT kann auf relativ einfache Weise mit handelsüblichen Mikroskopen eingesetzt werden.

„Wir sind davon überzeugt, dass SUM-PAINT nicht nur ein Meilenstein auf dem Weg zur Entschlüsselung der Komplexität der Zellbiologie auf molekularer Ebene darstellt, sondern einen potenziellen Durchbruch bei der Entdeckung neuer therapeutischer Ansätze neurodegenerativer Krankheiten ermöglichen kann“, sagt Ralf Jungmann, Leiter der Forschungsgruppe Molekulare Bildgebung und Bionanotechnologie am MPI für Biochemie und Inhaber des Lehrstuhls für Molekulare Physik des Lebens an der LMU.

Indem SUM-PAINT einen detaillierten Blick auf den Ort und die Interaktion einer großen Anzahl von Proteinen auf molekularer Ebene ermöglicht, eröffnet es ungeahnte Möglichkeiten, bisher verborgene Details neurologischer Störungen zu untersuchen. Dadurch könnte die neue Methode zu einem tieferen Verständnis zugrundeliegender Mechanismen von Krankheiten wie Parkinson oder der Alzheimer-Demenz beitragen.
(MPI für Biochemie)

Eduard M. Unterauer, Sayedali Shetab Boushehri, Kristina Jevdokimenko, Luciano A. Masullo, Mahipal Ganji, Shama Sograte-Idrissi, Rafal Kowalewski, Sebastian Strauss, Susanne C.M. Reinhardt, Ana Perovic, Carsten Marr, Felipe Opazo, Eugenio F. Fornasiero and Ralf Jungmann: Spatial proteomics in neurons at single-protein resolution. Cell, March 2024

Wonach suchen Sie?