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Profi-Sport: Bessere Prophylaxe durch radiale Extrakorporale Stoßwellentherapie

11.03.2022

Die rESWT ist eine beliebte Behandlungsmethode im Profi-Fußball. Christoph Schmitz, Vorstand der Neuroanatomie an der LMU, und Physiotherapeut James Morgan, analysierten die Anwendung retrospektiv.

© IMAGO Panthermedia melis

Verletzungen sind immer unpassend, ganz besonders im Elite-Sport. Da bildet auch Fußball keine Ausnahme. Rund 30 Prozent der Verletzungen sind hier Muskelverletzungen, die zu langen Ausfallzeiten führen können. Eine Behandlungsmethode rückt immer mehr in den Fokus der medizinischen Fachkräfte: radiale Extrakorporale Stoßwellentherapie (rESWT). Sie war ursprünglich für die Behandlung von Sehnen-Entzündungen gedacht, seit ein paar Jahren wird sie auch für akute Muskelverletzungen wie Prellungen, Zerrungen oder sogar strukturelle Verletzungen wie Muskelfaserrisse verwendet. Professor Christoph Schmitz und James Morgan, jetzt Leiter der Physiotherapie, Rehabilitation und Prevention beim FC St. Pauli und Gastwissenschaftler an der LMU, führten eine retrospektive Analyse der rESWT bei akuten Muskelverletzungen im Spitzensport durch. Dafür untersuchten sie die Erfolge dieser Behandlungsmethode exemplarisch anhand eines Fußballvereins in einer Saison retrospektiv. Da es sich um einen Verein aus der ersten oder zweiten Fußball-Bundesliga handelt, sind sowohl der Name des Vereins als auch die Namen der Spieler anonymisiert.

Profi-Fußballerinnen und -Fußballer erhalten eine mehrstufige Behandlung, sollten sie sich verletzen. Das Stichwort ist „multimodal“. Denn die Fußballvereine setzen nicht nur auf eine Methodik, sondern vereinen verschiedene Ansätze miteinander. Neben Kryotherapie, also der akuten Behandlung mit Eis, werden auch manuelle Therapien eingesetzt, um den Patienten schnellstmöglich wieder einsatzfähig zu machen. Denn das ist es, was zählt im Profi-Sport: schnelle Rehabilitation, um die Spieler wieder auf den Platz und ins nächste Spiel zu bringen. Entscheidend ist aber, dass der Spieler keine Rückfälle hat. An dieser Stelle kommt die rESWT ins Spiel. Denn sie wird zusätzlich zu den übrigen Behandlungen eingesetzt und kann die Ausfall-Zeit erheblich verkürzen: „Je nach Art der Verletzung konnten wir Verkürzungen der Ausfallzeit um bis zu 50 Prozent beobachten“, erklärt der Physiotherapeut Morgan. Das würde vor allem für Prellungen oder Zerrungen gelten. Strukturelle Verletzungen benötigten generell etwas mehr Zeit; auch hier konnte jedoch eine Verminderung der mittleren Ausfallzeit um 20 Prozent beobachtet werden.

Stoßwellen-Forschung

Prof. Dr. med. Christoph Schmitz | © LMU Klinikum

Extrakorporale Stoßwellen sind sogenannte akustische Einzelwellen und gehen an Weichgewebe wie Haut und Fett weitgehend ohne Energieverlust vorbei. Sie werden erst an der Muskeloberfläche aufgehalten und sprechen die dort verankerten Zellrezeptoren an. In der Medizin nennt man das Mechano-Transduktion. Die wiederholte Behandlung mit Stoßwellen regt die Blutversorgung auf mikroskopisch kleiner Basis an. So bilden sich neue Kapillaren, das sind die kleinsten Blutgefäße von Menschen.

In den Sehnenscheiden und Faszien ist eine Flüssigkeit dafür verantwortlich, dass die Sehnen geschmeidig bleiben. Dafür wird Wasser von dem Molekül Lubricin gebunden. Dieses Molekül wird nur dann vom Körper gebildet, wenn sich der Mensch bewegt. Durch die Stoßwellen-Therapie kann die Produktion angeregt werden, was entscheidend zur Prophylaxe beiträgt.

„In der Medizin wurden Extrakorporale Stoßwellen initial vor allem zur Entfernung von Nierensteinen angewendet“, erklärt Christoph Schmitz. Bis Forschende u.a. der LMU durch Zufall entdeckten, dass die Stoßwellen nicht nur die Steine entfernen können, sondern auch die dahinterliegenden Knochen oder Muskeln positiv stimulieren und sogar schmerzbefreiend wirken können. Seit nun etwa zehn Jahren ist die LMU ein internationaler Vorreiter, was die Anwendung von rESWT zur Behandlung von Muskelverletzungen betrifft.

Prophylaxe

In der retrospektiven Analyse der Stoßwellen-Behandlung bei den Spielern stießen die Forschenden auf eine wertvolle Erkenntnis: Christoph Schmitz erklärt, dass die Therapie auch in der sogenannten sekundären Prophylaxe, also in der Behandlung von bereits vorhandenen Muskelverletzungen, „herausragende Ergebnisse" erziele. „Das war auch das Spannende an der Studie“, erzählt Schmitz. „Wir haben festgestellt, dass Spieler mit leichten Muskelverletzungen keine weiteren schweren Muskelverletzungen im Verlauf der Saison bekommen haben, wenn sie konsequent mit rESWT behandelt wurden.“

Mindestens jeden zweiten Tag lassen sich die Spieler mit rESWT behandeln. „Die Therapie lässt sich individuell einstellen“, berichtet Morgan. „Ziel ist es, so nah an die Schmerzgrenze zu gehen wie möglich, denn dann ist sie am effektivsten.“ Gerade bei den anfänglichen Prellungen oder Muskelverhärtungen erweise sich die Therapie als äußerst sinnvoll, um Schlimmeres, wie etwa einen Muskelfaserriss, zu vermeiden.

Die Therapie bei den Olympischen Spielen

Melanie Hasler und der Chief Physiotherapy Officer Felix Zimmermann beim Weltcup-Rennen.

„Die rESWT wird übrigens nicht nur im Profi-Fußball eingesetzt“, erzählt Schmitz. Auch andere Profi-Sportarten würden diese Therapie-Form regelmäßig anwenden. „Im Jahr 2012 war ich bei den Olympischen Spielen in London dabei und habe die Sportler und Sportlerinnen dort mit Stoßwellen behandelt“, erinnert sich Schmitz. Auch bei den diesjährigen Olympischen Spielen in China wurde die Therapie eingesetzt: „Erst kürzlich wurde ich bei einer Muskelverletzung schnell und erfolgreich mit rESWT behandelt“, erzählt Bobpilotin Melanie Hasler; sie trat für die Schweiz bei den Olympischen Spielen in Peking an. „Ich hätte ansonsten nicht weiter am Bob-Weltcup der laufenden Saison teilnehmen können.“ Der leitende Physiotherapeut des Teams, Felix Zimmermann, gehört ebenfalls dem internationalen Expertenteam für die Behandlung von Verletzungen und Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems mit rESWT rund um Christoph Schmitz an.

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