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Quantenphysik: Die Zukunft entdecken

03.11.2025

Hundert Jahre sind seit der Formulierung der Quantenmechanik vergangen. Die Fakultät für Physik stellt an ihrem „Tag der Quantenphysik“ neuartige Quantentechnologien und Entwicklungen vor. Das Programm richtet sich auch an junge Menschen.

Die kältesten Rechner der Welt, Tic-Tac-Toe mit Quanten oder zahlreiche Mitmachexperimente: Anlässlich des Internationalen Jahrs der Quantenwissenschaften und Quantentechnologien, das die Vereinten Nationen in diesem Jahr ausgerufen haben, veranstaltet die Fakultät für Physik an der LMU gemeinsam mit dem Exzellenzcluster Munich Center for Quantum Science and Technology (MCQST) am Samstag, den 8. November 2025, einen „Tag der Quantenphysik“. Zahlreiche Vorträge und Mitmachstationen im Hauptgebäude der LMU stellen die faszinierende Welt der Quantenphysik und der neuartigen Quantentechnologien vor, an denen aktuell geforscht wird.

„Die Physik öffnet ihre Tore für die nächste Generation neugieriger Köpfe. Mit dem Tag der Quantenphysik möchten wir Schülerinnen und Schüler für die faszinierende Welt der kleinsten Teilchen begeistern und ihnen zeigen, wie spannend, kreativ und zukunftsweisend Forschung an der LMU sein kann", sagt Prof. Jochen Kuhn, Vizepräsident für Innovation in Lehre und Lehrkräftebildung an der LMU. „Innovative Lehrformate, interaktive Experimente und neue Technologien machen deutlich: Physik ist nicht nur eine Wissenschaft der Formeln, sondern eine Entdeckungsreise – und wir wollen möglichst viele junge Menschen einladen, sie mit uns anzutreten.“

Physik-Dekan Ulrich Schollwöck, Lehrstuhlinhaber für Theoretische Nanophysik und Mitglied im Exzellenzcluster MCQST, erklärt im Gespräch die Bedeutung der Quantenphysik für die Zukunft und wie man junge Menschen für die Disziplin begeistern möchte.

Tag der Quantenphysik im LMU-Hauptgebäude

Tag der Quantenphysik im LMU-Hauptgebäude

Im Bild zu sehen sind Eindrücke aus dem Jahr 2024, im Lichthof bieten zahlreiche Infostände Informationen über Physik an der LMU und über den Exzellenzcluster MCQST an.

© MCQST

© Christoph Hohmann / MCQST

Die Fakultät für Physik richtet gemeinsam mit dem Exzellenzcluster MCQST einen Tag der Quantenphysik an der LMU aus. Warum ist dieses Thema so wichtig?

Ulrich Schollwöck: Das Thema ist in verschiedener Hinsicht sehr wichtig. Einerseits feiern wir 100 Jahre Quantenphysik, vor 100 Jahren haben Werner Heisenberg und Erwin Schrödinger die Grundlagen der Quantenmechanik in ihrer heutigen Form gelegt. Für uns an der LMU ist das auch historisch von Bedeutung, denn wesentliche Protagonisten wie Heisenberg oder Wolfgang Pauli waren hier an der Universität und haben bei unserem Theoretiker Arnold Sommerfeld ihre Ausbildung erhalten. Andererseits sind wir nun heute in der Lage, die Komplexität der Quantenmechanik für praktische Anwendungen auszunutzen, etwa für Quantencomputer oder in der Quantenkommunikation.

Das heißt, Quantenphysik ist auch heute ein zentrales Thema der Physik an der LMU?

Genau, das betrifft die verschiedensten Bereiche. Ein Beispiel sind Quantensimulatoren, das sind sozusagen analoge Quantencomputer. Das Gebiet ist 2002 hier in München mit den Experimenten der Gruppe um Immanuel Bloch gestartet, bei uns in der Schellingstraße im dritten Stock, und Quantensimulation wird heute weltweit angewendet.

Wir sind auch in der Theoretischen Physik sehr gut aufgestellt. Wir schlagen für die Quantensimulatoren neue Experimente vor, begleiten diese theoretisch und entwickeln Algorithmen, die man numerisch rechnen kann, um komplexe quantenmechanische Systeme besser zu verstehen. Und wir sind sehr im Bereich der Quantenkommunikation und -kryptografie engagiert. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Faszination für Quantenphysik

© Christoph Hohmann / MCQST
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Die Aussicht auf Quantencomputing begeistert ja sehr viele Menschen. Was macht da für Sie den Reiz aus?

Ich arbeite ja auf dem Gebiet der Theoretischen Physik, aus meiner Sicht besteht der besondere Reiz darin, dass es tatsächlich um ein völlig neues Paradigma der Informationsverarbeitung geht. Es ist eine andere Art, über Informationen zu denken, mit ganz neuen Möglichkeiten, aber auch neuen Herausforderungen. Da stellen sich fundamentale Fragen. Wir haben dazu gerade einen neuen Lehrstuhl für Quanteninformationstheorie eingerichtet mit Professor Michael Walter.

Man kann erwarten, dass es ganz unabhängig davon, wie gut ein Quantencomputer einmal funktionieren wird, zahlreiche praktische Anwendungen für die begleitenden Innovationen geben wird, aufgrund der enormen technischen Herausforderungen, die man bewältigen muss. Die große Frage aktuell ist, ob es gelingen wird, die ersten kleinen Quantencomputer, die es ja schon gibt, auf eine Größe hochzuskalieren, dass sie die klassischen Rechner tatsächlich übertreffen. Und ob es dann auch gelingen wird, weitere Quantenalgorithmen zu entwickeln, also Computerprogramme, die auf diesen Quantencomputern laufen und Anwendungen beherrschen, die für uns alle von Nutzen sind.

Was hat die Quantenphysik im Hinblick auf Grundlagenforschung und Anwendung jenseits der Quantencomputer noch zu bieten?

Quantensimulatoren sind ja auch als Systeme interessant, um direkt Fragen der Grundlagenforschung im Bereich der Festkörperphysik und Materialphysik zu behandeln. Man kann gezielt bestimmte Parameter und Eigenschaften der Materialien untersuchen und verändern und so ausprobieren, wie sich ein Festkörper verhalten würde, wenn er auf mikroskopischer Ebene andere Eigenschaften hätte.

Auch auf dem Feld der sogenannten Quantensensoren können wir systematisch Grenzen wie die Heisenbergsche Unschärferelation austesten und Dinge ausprobieren, die man früher für undenkbar gehalten hat.

Quantentechnologien im Alltag

Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass die breite Öffentlichkeit auch bald neuartige Quantentechnologien in unserem Alltag wiederfinden wird?

Da ist meine Hoffnung sehr groß, nicht nur von Berufs wegen, sondern weil sich tatsächlich abzeichnet, dass es eine ganze Menge Anwendungsmöglichkeiten gibt, von denen man vor ein paar Jahren noch gar nicht zu träumen gewagt hätte. Ein Beispiel, das sich auf die LMU bezieht, ist die sichere Quantenkommunikation. Dazu benötigt man den Austausch von Quantenschlüsseln. Wir haben jetzt schon an der LMU zwischen der Innenstadt und Garching das längste Quantennetzwerk weltweit.

Will man das aber wirklich weltumspannend machen, braucht man ein großes Netzwerk von Satelliten. Bislang war China hier führend, sie haben schon vor etlichen Jahren Quantenkommunikationssatelliten zu Demonstrationszwecken in den Orbit gebracht. Allerdings waren diese ziemlich groß, teuer und nicht besonders praktisch. LMU-Physiker Harald Weinfurter hat mit Kollegen aus ganz Deutschland mit QUBE einen schuhschachtelgroßen Satelliten entwickelt, der genau das Gleiche tut. Und den kann man dann in großer Zahl für kleines Geld ins Weltall schießen. Damit ist die Realisierung eines Quantennetzwerks im Weltall deutlich näher gerückt. Wir kommen also voran.

In der gesamten Disziplin herrscht eine regelrechte Aufbruchstimmung. Welchen Anteil haben daran die LMU und der Exzellenzcluster MCQST?

Der Standort München, mit dem MCQST, dem Munich Quantum Valley, den beiden Universitäten LMU und TUM und dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik, wird im Ausland schon jetzt als der stärkste Quantenstandort in Deutschland wahrgenommen. Wir haben hier die höchste Konzentration von hochaktueller Quantenforschung.

Die nächste Generation begeistern

Mitmachexperimente am Tag der Quantenphysik

© MCQST

Aufbruchstimmung vermitteln

Auf den Veranstaltungen am Quantentag an der LMU möchten Sie etwas von dieser Aufbruchstimmung vermitteln und richten sich vor allem an junge Menschen. Wie wollen Sie Schülerinnen und Schüler für das Thema begeistern?

Wir werden das auf alle möglichen Ebenen versuchen, die Menschen, die da zu uns kommen, haben ja die verschiedensten Interessen. Deswegen reicht das Angebot von experimentellen Vorführungen über Laborbesuche bis hin zu eher theoretisch orientierten Vorträgen, die teilweise allgemeiner, teilweise auch eher spezieller Natur sein werden, so dass wir alle Interessensgruppen und Vorkenntnisstufen weitestgehend abrufen.

Was sind aus Ihrer Sicht die Highlights des Tages?

Wir haben es geschafft, mit unseren Vortragenden das Gebiet in der gesamten Breite abzubilden. Mit Harald Lesch haben wir einen begnadeten Vermittler von Physik und damit einen hervorragenden Einstiegsredner gewonnen.

Auch Immanuel Bloch als einer der wirklichen Wegbereiter und absoluten Koryphäen weltweit und übrigens auch ein hervorragender Redner wird einen ganz tollen Vortrag halten, den möchte ich unbedingt hören. Ich bin auch sehr gespannt darauf, was etwa LMU-Physiker Johannes Zeiher über digitale Quantencomputer auf Basis ultrakalter Atome erzählt, er hat mit seiner Firma planqc gerade den deutschen Gründerpreis gewonnen. Daran sieht man: Wir gehen von der Grundlagenforschung in die Anwendung hinein.

Und ich will mir die angebotenen Experimente anschauen. Die Quantenphysik ist ja sehr abstrakt. Da ist die Herausforderung, das halbwegs verständlich in Experimenten aufzubereiten, besonders groß. Das ist jetzt aber nur eine winzige Auswahl aus einem großen Programm.

Leiterin Silke Stähler-Schöpf erklärt Schülerinnen und Schülern am PhotonLab Grundlagen der Quantenphysik.

© Christoph Hohmann / MCQST

Neue Wege in der Vermittlung

Quantenphysik ist, wie Sie sagen, nicht unbedingt einfach zu vermitteln. Welche neuen Wege gehen Sie da an der LMU und mit dem MCQST?

Im Rahmen des Exzellenzclusters MCQST wollen wir ein Projekt von Jochen Kuhn angehen, der gerade nicht zufällig auch unser neuer Vizepräsident für neue Formen der Lehre an der LMU geworden ist. Da gibt es schöne Ideen, das, was er als didaktisches Konzept schon in der klassischen Mechanik umgesetzt hat, nun kombiniert mit Künstlicher Intelligenz und Augmented Reality dazu zu verwenden, Quantenmechanik zu erklären. Es hat einen interaktiven Anteil: Aufgrund der zum Beispiel an Augenbewegungen gemessenen Reaktion des Hörers oder der Schülerin wählt man dann die weiteren Erklärungspfade, kann nochmals zu bestimmten Punkten zurückkehren und so für jeden die geeignete Erklärungsebene finden.

Auch das PhotonLab, ein Schülerlabor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik, hat ja jedes Jahr Abertausende Schülerinnen und Schüler als Besucher. Es ist auf lange Zeit im Voraus ausgebucht, das erscheint mir eine ganz große Erfolgsgeschichte der Wissensvermittlung. Und wir haben gemeinsam mit dem Deutschen Museum die Sonderausstellung „Licht und Materie“ entwickelt, die im Jahr 2028 auch Teil der Hauptausstellung werden wird.

Wie blicken Sie denn insgesamt auf die bisherigen Initiativen an der LMU zum Jahr der Quantenwissenschaften in diesem Jahr zurück?

Bis jetzt ist das alles sehr, sehr gut gelaufen. Unsere Vortragsreihe „Physik modern“, in der die Quantenmechanik in ihrer ganzen Breite dargestellt wird, war sehr gut besucht. Die Vorträge waren etwas fachorientierter. Unser Tag der Quantenphysik am 8. November wendet sich an eine noch breitere Öffentlichkeit, das ist eindeutig unser Höhepunkt, weil wir versuchen wollen, möglichst alle im Publikum mitzunehmen und die gesamte Vielfalt der Quantenphysik an der LMU an einem Ort darzustellen.

Quantensimulation an der LMU, Labor in der Münchner Schellingstraße

© MCQST / Jan Greune

Programm

Um 11 Uhr eröffnet der Dekan der Fakultät für Physik, Prof. Dr. Ulrich Schollwöck, im Audimax der LMU das Programm. Im Anschluss folgen Vorträge von Prof. Dr. Harald Lesch und Prof. Dr. Immanuel Bloch. Die LMU-Forschenden Fabian Grusdt und Monika Aidelsburger erklären im Gespräch, wie man im zukunftsträchtigen Bereich der Quantensimulation Theorie und Experiment aufeinander abstimmt.

Im Lichthof des LMU-Hauptgebäudes können Besucherinnen und Besucher die Welt der Quantenphysik entdecken: Forschungsgruppen präsentieren sich mit Ständen, Mitmachstationen, es gibt zudem Vorlesungen für Schülerinnen und Schüler. Eine kleine Ausstellung im Dekanatsgang des Hauptgebäudes stellt Schlüsselfiguren der Quantenphysik in den Mittelpunkt. Zudem gibt es interaktive Angebote vom Munich Center for Quantum Science and Technology (MCQST) und weiteren Partnern, darunter Munich Quantum Valley, PhotonLab, GALaQSci und die Quanten(t)räume. Studierende vor Ort erzählen Interessierten zudem, wie ein (Quanten)Physik-Studium an der LMU aussieht. Laborführungen und ein eigener Bereich für Mitmach-Experimente ergänzen das Programm. Ziel ist es, spannende Einblicke in den Forschungsalltag zu geben.

Infos zum gesamten Programm finden Sie hier.

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