Quantensimulation: Kollektive Phänomene sichtbar machen
21.11.2025
Forschende der LMU und des Exzellenzclusters MCQST entwickeln Methode, um neuartige Vielteilchensysteme direkt zu beobachten.
21.11.2025
Forschende der LMU und des Exzellenzclusters MCQST entwickeln Methode, um neuartige Vielteilchensysteme direkt zu beobachten.
LMU-Physiker Johannes Zeiher (links) im Labor. | © MQV / Jan Greune
In der Welt der Quantenphysik verhalten sich viele Teilchen im Kollektiv oft völlig anders, als man es von den Eigenschaften der einzelnen Bausteine ausgehend erwarten würde. Die Eigenschaften dieser Quantenvielteilchensysteme hängen stark davon ab, über welche Entfernungen die Teilchen miteinander in Verbindung stehen. Wenn solche Wechselwirkungen nicht nur zwischen direkten Nachbarn, sondern auch über mehrere Plätze hinweg reichen, können ungewöhnliche und kollektive Phänomene oder exotische Materiezustände entstehen – zum Beispiel speziell geordnete Systeme oder gebundene Paare aus Bausteinen, die sich eigentlich abstoßen sollten.
In ihrer neuen, im Fachmagazin Science veröffentlichten Arbeit nutzt das Team um die LMU-Physiker Johannes Zeiher und Immanuel Bloch und die LMU-Physikerin Annabelle Bohrdt, alle Mitglieder im Exzellenzcluster MCQST, eine experimentelle Methode, um neuartige Vielteilchensysteme zu manipulieren, das sogenannte Rydberg Dressing. Dabei werden Atome mit Laserlicht in einen besonders stark wechselwirkenden Zustand „hineingemischt“. Das ermöglicht es, die Stärke und Reichweite der Kräfte zwischen Atomen sehr fein einzustellen – über mehrere Gitterabstände hinweg. In ihrem Quantensimulationsexperiment manipulierte das Team Rubidium-Atome.
Kalte Atome in einer Falle aus Licht. In einem solchen Aufbau führten die Forscher ihr Experiment durch. | © MQV / Jan Greune
Normalerweise ist es schwierig, solche langreichweitigen Wechselwirkungen in einem System beweglicher Atome kontrolliert zu untersuchen. Das Team konnte dieses Problem durch eine spezielle, zeitlich getaktete („stroboskopische“) Beleuchtungstechnik lösen. Dadurch blieb das System lange genug stabil, um die komplexen Vielteilcheneffekte unter einem sogenannten Quantengasmikroskop direkt zu beobachten.
„Die Methode erlaubt es, völlig neue kollektive Quanteneffekte sichtbar zu machen, die bisher experimentell kaum zugänglich waren“, sagt Johannes Zeiher. „Interessant ist besonders die Perspektive, Wechselwirkungen durch Laserlicht kontrollieren zu können“. So lassen sich mit der eingesetzten Methode gezielt Quantenzustände beobachten, die bisher theoretisch vorhergesagt wurden.
Denkbar ist auch die Simulation von Modellen, die etwa für Phänomene der Festkörperphysik wie die Supraleitung relevant sind. Auch exotische Materialien, die beispielsweise zugleich Eigenschaften von Flüssigkeiten und Festkörpern aufweisen, lassen sich zukünftig möglicherweise gezielt untersuchen. „Wenn es gelingt, die Methoden technisch weiter zu verbessern, etwa durch bessere Kühlung oder andere Atomarten als Rubidium, würde das noch komplexere Untersuchungen möglich machen“, sagt Zeiher.
Pascal Weckesser, Kritsana Srakaew,, Tizian Blatz, David Wei, Daniel Adler, Suchita Agrawal, Annabelle Bohrdt, Immanuel Bloch, Johannes Zeiher: Realization of a Rydberg-dressed extended Bose-Hubbard model. Science, 2025.