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Reaktionen an der Kante

08.10.2019

LMU-Chemiker zeigen am Beispiel eines wichtigen industriellen Prozesses, dass Defekte auf der Oberfläche von Katalysatoren für deren Aktivität essenziell sind.

Von der Chemikalienherstellung über die Abgasreinigung bis zur chemischen Speicherung von Sonnenenergie: Ohne Katalysatoren wären viele technische Verfahren nicht möglich. In der chemischen Industrie kommt die große Mehrheit der erzeugten Produkte mit mindestens einem heterogenen Katalysator in Kontakt. Dabei handelt es sich um einen Feststoff, an dessen Oberfläche gasförmige Stoffe adsorbieren und reagieren. Der Katalysator ermöglicht oder beschleunigt deren Reaktion zum Produkt, ohne sich dabei selbst zu verändern. Bei diesem Prozess gibt es noch viele ungeklärte Fragen, etwa an welchen Stellen des Katalysators sich das Geschehen tatsächlich abspielt. Chemiker um Professor Joost Wintterlin vom Department Chemie der LMU zeigen nun, dass Stufen auf der Katalysatoroberfläche eine entscheidende Rolle spielen. Über ihre Ergebnisse berichten sie im Fachmagazin Nature Catalysis.

Bei vielen heterogen katalysierten Reaktionen gibt es indirekte Hinweise, dass nicht die ganze Katalysatoroberfläche aktiv ist, sondern nur Stellen mit Defekten, etwa die Ecken und Kanten der Katalysatorpartikel, und nicht die glatten Flächen dazwischen. „Ob diese Stellen wirklich die aktiven Zentren sind, konnte bisher aber nicht direkt gezeigt werden, denn unter Reaktionsbedingungen, das heißt bei Gasdrücken von mehreren Bar und erhöhten Temperaturen, ist es sehr schwer, die chemischen Prozesse auf der Oberfläche zu analysieren“, sagt Wintterlin.

Mit seinem Team arbeitet Wintterlin seit längerem an der Entwicklung eines speziellen Rastertunnelmikroskops, mit dem katalytische Reaktionen auf Oberflächen unter industrienahen Bedingungen untersucht werden können. Anstelle der oft nur wenige Nanometer großen Katalysatorpartikel verwenden die Wissenschaftler einige Millimeter große Kristalle. In der jetzt publizierten Arbeit bestimmten die Wissenschaftler zusätzlich an derselben Probe unter denselben Bedingungen auch die Bildung der katalytischen Reaktionsprodukte. „Nur so können wir Korrelationen zwischen den im Mikroskop abgebildeten Strukturelementen der Oberfläche und der katalytischen Aktivität nachweisen“, sagt Wintterlin. „Diese Kombination macht das Experiment besonders schwierig.“ Ein speziell entwickelter Gaschromatograph, mit dem sich extrem geringe Produktkonzentrationen nachweisen lassen, führte schließlich zum Erfolg.

Als Beispiel für ihre Untersuchungen wählten die Wissenschaftler die Fischer-Tropsch-Synthese, einen großtechnischen Prozess, bei dem aus Synthesegas an einem Kobaltkatalysator flüssige Kohlenwasserstoffe hergestellt werden, etwa synthetischer Diesel. Für dieses System konnten die Forscher zeigen, dass die katalytische Aktivität der Probe anstieg, je mehr atomare Stufen sich auf der Oberfläche des als Katalysator verwendeten Kobaltkristalls befinden. Die Stufen entstehen dadurch, dass die Atomlagen des Kristalls an der Oberfläche unvollständig sind. An der Stelle, an der eine Lage endet, entsteht eine Stufe zur nächsten Lage. Solche Stufen existieren auch an den Oberflächen der kleinen Kobalt-Partikel des industriellen Katalysators, und dessen Aktivität ließ sich quantitativ mit den Daten des Modellkatalysators vorhersagen. „Damit haben wir den ersten direkten Nachweis erbracht, dass diese atomaren Stufen die aktiven Zentren des Katalysators sind“, sagt Wintterlin. Diese Ergebnisse könnten dazu beitragen, so hoffen die Forscher, effektivere Katalysatoren zu entwickeln.Nature Catalysis 2019

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