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Stadt und Dorf in München

24.07.2023

Britta von Voithenberg untersucht die Verschränkung von Stadt und Land zur Jahrhundertwende anhand zweier Großstädte. Was man daraus für die heutige Stadtplanung lernen kann, zeigt ihre mit dem Hochschulpreis ausgezeichnete Dissertation.

Kleingartenanlagen, die Münchner Pferdetram oder Villenviertel sind nur einige der Untersuchungsgegenstände von Britta von Voithenberg. In ihrer Dissertation „Rurbanität in der Großstadt. Dresden und München 1870 bis 1914“ zeigt sie, wie ländliche Strukturen den städtischen Raum aktiv gestalteten. Diese Rurbanität, also die Verbindung von Ländlichkeit (Ruralität) mit Stadtkultur (Urbanität), gehörte für die Menschen damals zum Alltag, während die Forschung zur modernen Großstadt dies bislang weitgehend ausgeblendet hat.

  1. Einfamilienhaus mit bäuerlichem Gemüsegarten in München zur Jahrhundertwende
  2. Ein Pferd zieht die Pferdetrambahn durch eine historische Münchner Straße

Mitten in München, in der Winthirstraße in Neuhausen, wurde zur Jahrhundertwende Obst- und Gemüse im eigenen Garten angebaut.

© Archiv der Neuhauser Geschichtswerkstatt

Im Jahr 1893 wurde die erste Trambahn in München nach dem Vorbild einer Kutsche noch von einem Pferd gezogen.

© MVG Archiv Nr. 300

5000 Euro erhielt die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Seminar der LMU für ihre Dissertation, die neue Perspektiven auf eine Schlüsselphase der Münchner Stadtgeschichte eröffnet. Der Hochschulpreis der Stadt München würdigt Abschlussarbeiten, die sich mit stadtplanerischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Aspekten Münchens beschäftigen. „Die Ehrung ist für mich eine große Anerkennung meiner wissenschaftlichen Leistung, die Stadtgeschichte Münchens und Dresdens neu beleuchtet zu haben“, erklärt von Voithenberg. Sie freut sich besonders, dass die Landeshauptstadt den Wert ihrer Arbeit auch über den historischen Fokus hinaus anerkennt und Ruralität in Stadträumen stärker ins Bewusstsein rückt. „Es ist sicherlich ein Thema mit hoher Relevanz auch für heutige Stadtplanungsdebatten, mehr Ländlichkeit und Dörflichkeit in Großstädten zu verankern.“

Britta von Voithenberg bei der Preisverleihung zum Hochschulpreis mit Bürgermeisterin Habenschaden

Britta von Voithenberg (2. von rechts) bekam für ihre Dissertation den Hochschulpreis der Stadt München. | © Dominik Erl

Tatsächlich können wir von der historischen Erforschung rurbaner Strukturen für die heutige Städteplanung profitieren. „Mehr ländliche Lebensqualität, verbesserte Luftqualität und mehr Umweltschutz innerhalb von Stadträumen kann durch historisch lang bekannte Formen der Rurbanität erreicht werden“, bestätigt von Voithenberg. Das agrikulturelle Erbe der Städte diene als Inspiration für die moderne Stadtplanung. Dabei gibt es heute kreative Ansätze, neue Formen der Landwirtschaft auf begrenztem städtischem Terrain zu betreiben – beliebt sind in Großstädten etwa Rooftop Farming und Urban Chickening.

Auch für aktuelle klimapolitische Fragen lassen sich wichtige Rückschlüsse aus der Forschung der Historikerin ziehen: Fassadenbegrünungen und Spaliere waren 1900 wichtig und sind es heute in Anbetracht von zunehmend verdichteten, verschmutzten und überhitzten Großstadträumen umso mehr.

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