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Studie: Anfällig für Fake News

09.12.2021

Ein interdisziplinäres Forscherteam hat untersucht, warum sich viele Menschen täuschen lassen.

Hütchenspieler

© Anthony Berenyi

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, eine Sechs zu würfeln? Natürlich eins zu sechs. Wenn aber eine Person kurz vor dem Würfeln schreit: „Es wird die Sechs, nehmen Sie sie“, werden sich viele Menschen davon beeinflussen lassen – und wenn tatsächlich eine Sechs kommt, womöglich auch zukünftig auf diesen Menschen hören. Dieses Beispiel erzählt Ph.D. Jurgis Karpus, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Philosophy of Mind der LMU. Der Philosoph hat gemeinsam mit dem Neurowissenschaftler Dr. Bahador Bahrami von der Fakultät für Psychologie und Pädagogik der LMU, Dr. Ralf Kurvers vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin und Dr. Uri Hertz von der Universität Haifa sowie weiteren Kolleginnen und Kollegen in einer Studie untersucht, warum Menschen auf Fake News statt auf Fakten hören. Die Ergebnisse sind aktuell im Fachjournal iScience veröffentlicht.

Die Gründe dafür sind laut Karpus unterschiedlich. Manchmal sind Fake News emotional ansprechend, zum Beispiel wenn ein großes Technologieunternehmen verspricht, die Probleme der Welt zu lösen. Manchmal sind Fakten, beispielsweise zum Klimawandel, so deprimierend, dass es leichter fällt, einfach nicht daran zu glauben. Und manchmal – ein Aspekt, der in der Studie untersucht wurde, – lösen Fake News unbegründete Hoffnungen auf Glück und Erfolg aus, beispielsweise auf dem Aktienmarkt oder in der Politik. Obwohl nichts garantiert werden kann, hören viele Menschen wie bei dem Würfelbeispiel auf die, die das behaupten. „Landen diese dann noch einen Glückstreffer, gewinnen sie zusätzliche Aufmerksamkeit“, sagt Karpus.

Die Experimente zeigten: Täuschen zahlt sich aus

Kennengelernt hat sich das internationale Forscherteam aus Deutschland, Israel und Großbritannien zu einer Zeit, in der der Populismus in der Welt im Aufwind war. „Daher haben wir angefangen, darüber nachzudenken, ob Täuschung von Vorteil sein kann, wenn Menschen strategisch versuchen, Einfluss auf andere zu nehmen“, erklärt Bahador Bahrami. Anschließend wurde eine formale spieltheoretische Analyse des Problems entwickelt, welche die Grundlage für die experimentellen Untersuchungen mit 802 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war.

Das Ergebnis der Studie hat das Forscherteam selbst überrascht. „Wir hatten bei der Konstruktion der spieltheoretischen Modelle viele Vereinfachungen vorgenommen und erwartet, dass die Menschen nicht so leicht auf die einfachen Strategien und Täuschungen hereinfallen würden“, sagt Ralf Kurvers, einer der Hauptautoren der Studie. Es wurde zwar erwartet, dass sich Abweichungen von der Wahrheit auszahlen könnten, wenn es darum geht, andere zu überzeugen. Dass aber bei den Experimenten Einzelpersonen, Gruppen und sogar Paare, die sich gegenseitig beraten haben, immer die Person wählten, die sie getäuscht hatte, hatte keiner erwartet. Durch die Studie lässt sich laut Kurvers erklären, warum politische Bewegungen oder Influencer erfolgreich sind, die von Desinformation leben.

Eine Einschränkung gibt es allerdings: Die spieltheoretische Analyse hat bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unterschieden, ob sie bereits an die Meinung des Gegenübers geglaubt haben oder nicht. War die Person bereits überzeugt, sollte das Gegenüber bei der Wahrheit bleiben, meint Karpus.

„Strategische Täuschung ist dann von Vorteil, wenn der sogenannte Berater zu diesem Zeitpunkt nicht der Favorit ist und daher versucht, den sogenannten Kunden von einem Konkurrenten abzuwerben.“ In einem zweiten Schritt wollen die Forscher jetzt herausfinden, welche menschlichen Charaktereigenschaften für solche manipulativen Strategien besonders anfällig sind. Und wie Menschen befähigt werden können, solche opportunistischen Lügen zu durchschauen.

Publikation: Ralf Kurvers, Uri Hertz, Jurgis Karpus, Marta Balode, Bertrand Jayles, Ken Binmore, Bahador Bahrami: „Strategic disinformation outperforms honesty in competition for social influence“. In: iScience 2021.


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