Studiobühne der LMU: Theaterlabor und Experimentierraum
19.05.2025
Studierende der Theaterwissenschaften haben eine eigene Spielstätte, um sich unter professionellen Bedingungen auszuprobieren.
19.05.2025
Studierende der Theaterwissenschaften haben eine eigene Spielstätte, um sich unter professionellen Bedingungen auszuprobieren.
bei einer Probe mit Studierenden. | © LMU
Wer die Stufen zur Studiobühne der Theaterwissenschaft an der LMU in der Münchner Altstadt hinabsteigt, ist sofort in einer anderen Welt. Ein paar Meter unter der Hektik der Großstadt finden dort unter höchster Konzentration die letzten Proben für das Stück „Partici|bait – ein liebevoller Konfrontationsworkshop“ statt. Eine Bühne gibt es bei dieser Aufführung nicht. Stattdessen setzen sich die Schauspielerinnen und Schauspieler ins Publikum und beginnen bewusst unangenehm nah mit den Menschen ein Gespräch.
„Partizipationstheater wird entweder geliebt oder gehasst“, erklärt der neue Leiter der Studiobühne, Markus Kubesch, und grinst. Er übernahm im Januar 2025 den Posten, den Dr. Katrin Kazubko 31 Jahre lang innehatte. Einen der Hauptgründe für die Ablehnung nennen die jungen Menschen in ihrem Stück selbst: Angst, sich öffentlich zu blamieren.
„Es ist aber alles freiwillig“, versichert eine Schauspielerin bei der Probe. Es gebe zwar kein fertig geschriebenes Stück, Schockmomente oder plötzliche Überfälle auf das Publikum seien aber nicht vorgesehen. Vielmehr soll es darum gehen, die Bedeutung und Grenzen von Partizipation herauszufinden. „Mit unserem heutigen Experiment setzen wir den klassischen Theaterabend aufs Spiel und geben die Grenze zwischen Publikum und Bühne auf“, ruft sie verheißungsvoll in den mit Lichterketten dekorierten Saal.
Das passt gut zu Kubeschs Beschreibung der Studiobühne, die er als „Theaterlabor und Experimentierraum“ bezeichnet. Seit über 50 Jahren können sich dort junge Studierende in Regie, Schauspiel, Dramaturgie, Bühnenbild und anderen Feldern ausprobieren. In den 1990er-Jahren wurde die praktische Theaterarbeit auch in das Studienangebot integriert. 2015 musste die institutseigene Bühne in der Ludwigstraße 25 einem Bauprojekt weichen, seit 2018 hat sie in der Neuturmstraße 5 eine neue Heimat gefunden.
Es ist ein wahnsinniger Luxus, einen Ort zu haben, wo man sich unter professionellen Bedingungen ergebnisoffen ausprobieren kann.Markus Kubesch, Leiter der Studiobühne
Die Studiobühne ist eines der besten Beispiele dafür, wie junge Menschen schon während des Studiums Theorie und Praxis verbinden und in die Gesellschaft hineinwirken können, versichert Kubesch. „Es ist ein wahnsinniger Luxus, einen Ort zu haben, wo man sich unter professionellen Bedingungen ergebnisoffen ausprobieren kann.“ Entsprechend sind die Bretter, die die Welt bedeuten, mehrfach im Curriculum integriert: Zum einen im Wahlpflichtfach durch ein Bühnenpraktikum, zum anderen durch die Möglichkeit, bei Theaterstücken mitzuwirken oder sogar eigene Projekte auf die Beine zu stellen.
„Für das Studium der Theaterwissenschaft ist die Studiobühne vielleicht nicht unbedingt nötig, aber notwendig“, zitiert Kubesch im Gespräch am Rande der Probe seine Vorgängerin. Er organisiert die monatlichen Bühnentreffen, unterstützt die Studierenden, ihre Ideen auf der Bühne umzusetzen, und hilft spätestens bei den Endproben. Vier bis fünf Stücke kommen so pro Semester auf die Bühne. Ihn fasziniert es jedes Mal, wie aus den einzelnen Teilnehmenden nach wenigen Wochen eine eingeschworene Gemeinschaft wird.
Zu den Aufführungen kommen neben Eltern, Freunden sowie Kommilitoninnen und Kommilitonen auch viele Institutsgäste. Durch die zahlreichen Kooperationen, etwa mit der Theaterakademie August Everding und der Staatsoper, gibt es auch viele institutionelle Wechselbesuche. Zusätzlich sind wegen der Nähe zur Otto-Falckenberg-Schule, den Kammerspielen oder dem Residenztheater immer wieder Alumni oder andere interessierte Gäste im Publikum. Neben den Kooperationen gibt es auch einen interkulturellen Austausch mit Universitäten und Theatern auf der ganzen Welt. Mittlerweile kann die Studiobühne auf Gastspiele in Kanada, Marokko, den USA, Frankreich, Russland und der Ukraine zurückblicken. Auf Festivals wurden Produktionen der Studiobühne mehrfach ausgezeichnet.
Hat schließlich seinen Traum zum Beruf gemacht: Markus Kubesch | © LMU
Auf seine Vorgängerin schaut Kubesch mit großer Bewunderung für ihr handwerkliches Können. „Bei einem Treffen habe ich mir viel von ihrem Erfahrungsschatz notiert“, erzählt er. Gleichzeitig will er der Studiobühne auch seine eigene Note geben und weniger durch klassische Stücke in Konkurrenz zum Staatstheater stehen, sondern stärker den forschenden Aspekt des Theaters betonen. Beim sogenannten Applied Theatre lernen Studierende etwa, mit unterschiedlicher professioneller, kultureller und sozialer Herkunft künstlerisch zu arbeiten und dabei auch gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen.
Bei Kubeschs Werdegang verwundert das nicht. Der gebürtige Österreicher ist Sohn eines Diplomaten und musste entsprechend in seiner Kindheit viel umziehen und sich in neue Kulturen einleben. Theater war sein Traum. „Ich hatte aber lange nicht den Mut, das beruflich zu machen und damit möglicherweise auch zu scheitern“, sagt er offen. Daher entschied er sich nach dem Abitur am Wiener Musikgymnasium zunächst für ein Wirtschaftsstudium.
Doch das Theater ließ ihn nicht los, jede freie Minute verbrachte er dort. Also entschloss er sich „sehr blauäugig“, sich am renommierten Mozarteum in Salzburg für ein Schauspiel- und Regiestudium zu bewerben – und erhielt tatsächlich eine Zusage. Dort entdeckte er auch seine Liebe zur Theaterarbeit mit Jugendlichen. Bis 2024 promovierte er an der Universität Duisburg-Essen zu einem interkulturellen theaterpädagogischen Projekt.
Zum Leiter der Studiobühne wurde er auf ganz klassischem Weg: „Ich habe die Ausschreibung gesehen und mich beworben“, sagt er und lacht. Ob er wie seine Vorgängerin den Job auch bis zur Rente machen will? Die Frage ist nicht ganz ernst gemeint. Kubesch ist erst 42 Jahre alt. Doch er antwortet sofort: „Ja, der Ehrgeiz und die Passion sind auf jeden Fall da.“ Die Arbeit mit jungen Menschen und sie bei ihrer Entwicklung zu begleiten, bereite ihm große Freude. „Außerdem sieht man bei Katrin Kazubko, dass es jung hält, wenn man durch die Studierenden ständig herausgefordert wird und die eigene Position hinterfragen muss.“
Theaterwissenschaften an der LMU: Die Studiobühne