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Ungewöhnlicher Ionenkanal entdeckt

12.11.2020

LMU-Forscher haben den ersten Ionenkanal im Vesikelsystem von Zellen identifiziert, der auf mechanische Reize und Konzentrationsänderungen von Inhaltsstoffen reagiert. Damit bestimmt er vermutlich die Geschwindigkeit von Immunreaktionen mit.

Moleküle mikroskopisch untersucht.

TRPML2-Kanäle (grün) auf vergrößerten schnellen Recycling-Endosomen (positiv für den Marker RAB4A (rot)). | © Prof. Dr. Dr. Christian Grimm

Kleine membranumgebene Vesikel, sogenannte Endo- und Lysosomen, nehmen im Stoffhaushalt von Zellen eine Schlüsselposition ein: Sie regulieren die Sekretion und den Abbau von Molekülen und transportieren Substrate innerhalb der Zelle. Eine entscheidende Rolle spielen dabei als Ein- und Auslassstellen Ionenkanäle in der Vesikelmembran. Der LMU-Pharmakologe Christian Grimm vom Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie hat nun in Kooperation mit Martin Biel (Lehrstuhl für Pharmakologie) und Christian Wahl-Schott (Medizinische Hochschule Hannover) in Immunzellen gezeigt, dass ein bestimmter Ionenkanal auf mechanische Reize und die Konzentration gelöster Stoffe reagiert. Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin Science Advances berichten, könnte dieser Mechanismus die Freisetzung von Botenstoffen des Immunsystems steuern und damit die Geschwindigkeit von Immunreaktionen mitbestimmen.

Das endolysosomale System der Zelle besteht aus verschiedenen Vesikeltypen, die im Zusammenspiel Partikel in der Nähe der Zellmembran aufnehmen, weitergeben und schließlich entweder mithilfe von Enzymen zerlegen oder recyceln und zurück an die Zellmembran transportieren. Dabei kommt es immer wieder zu Veränderungen der tubulären Struktur des Systems und zum Abschnüren von Vesikeln. Für das Recycling sind zwei Vesikeltypen zuständig, wobei die Stofffreisetzung aus den sogenannten schnellen Recycling-Endosomen innerhalb von Minuten erfolgt. Über welche Mechanismen dies erfolgt, war bisher ungeklärt. Christian Grimm ist Experte für die Patch-Clamp-Technik, mit der Ionenkanäle im endolysosomalen System untersucht werden können. Dank einer weiteren Verfeinerung dieser Technik konnte er nun gezielt eine Form solcher Kanäle, sogenannte TRPML2-Kanäle in den schnellen Recycling-Endosomen von Makrophagen untersuchen. Makrophagen sind Zellen des angeborenen Immunsystems, die eine erste Abwehrlinie gegen eingedrungene Erreger bilden und eine schnelle Immunantwort auslösen.

Der TRPML2-Kanal ist an der Ausschüttung von Botenstoffen des Immunsystems beteiligt, wie die Forscher in einer früheren Studie zeigen konnten. „In den schnellen Recycling-Endosomen ist er besonders aktiv“, sagt Cheng-Chang Chen, der Erstautor des Papers. „Nun konnten wir erstmals nachweisen, dass er durch mechanische Reize und Veränderungen der Osmolarität – also der Konzentration gelöster Stoffe – aktiviert wird.“ Mechanische Kräfte und Veränderungen der Osmolarität entstehen beispielsweise bei der Bildung von Tubuli oder der Abschnürung von Vesikeln im endolysosomalen System, durch die sich das Oberflächen-Volumen-Verhältnis verändert. „TRPML2 ist der erste Ionenkanal auf intrazellulären Membranen, von dem wir nun wissen, dass er auf derartige Reize reagiert, was ihn unter den anderen endolysosomalen Kanälen einzigartig macht“, ergänzt Grimm. Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass dieser Mechanismus die besonders schnelle Freisetzung von Stoffen ermöglicht und damit die Geschwindigkeit der Immunantwort mitbestimmt.

Makrophagen haben abgesehen vom endolysosomalen System keine sekretorischen Organellen. Die ungewöhnliche Art der Stimulation von TRPML2 könnte ein Weg zur Optimierung spezifischer Transportwege in Makrophagen sein. „Bei einer akuten Infektion darf es nicht 24 Stunden dauern, bis Immunmodulatoren synthetisiert und ausgeschleust werden. Das muss in der Regel sofort passieren“, sagt Grimm. Zudem deuten die Ergebnisse nach Ansicht der Wissenschaftler darauf hin, dass Veränderungen des Oberflächen-Volumen-Verhältnisses von Tubuli und die Vesikulation von Endolysosomen möglicherweise notwendig sind, um die physiologischen Funktionen in Immunzellen aufrechtzuerhalten.

Science Advances 2020

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