Veterinärmedizin: Tierwohl im Fokus der Forschung
23.06.2025
Mit innovativer Forschung und moderner Technologie arbeitet Tierärztin Helen Louton daran, die Haltungsbedingungen von Nutztieren zu verbessern.
23.06.2025
Mit innovativer Forschung und moderner Technologie arbeitet Tierärztin Helen Louton daran, die Haltungsbedingungen von Nutztieren zu verbessern.
Prof. Dr. Helen Louton | © LMU/LC Productions
Tierquälerei in einem Geflügelschlachtbetrieb in Wassertrüdingen, Misshandlungen von Milchvieh auf einem Hof im Allgäu: Schwere Verstöße gegen den Tierschutz bei Haltung und Schlachtung von Nutztieren sind zu Recht Aufreger, die Medien und Menschen bewegen. Dennoch sieht Professorin Helen Louton Deutschland, was den Tierschutz in Haltung und Schlachtung betrifft, auf einem guten Weg: „Die Awareness in puncto Tierschutz hat durch einen Generationswechsel in der Landwirtschaft und Tierhaltung zugenommen“, sagt sie. „Und es ist zu erwarten, dass die Entwicklung auch in Zukunft positiv sein wird.“ Die Betriebe hätten viel in schonende Technologien investiert, auch im Management würden Aspekte des Tierwohls immer stärker in den Blick genommen.
Sie bedauert daher, dass Beispiele wie die jüngsten Vorfälle häufig die ganze Branche in Misskredit bringen.
Seit vergangenem November ist Louton Inhaberin des Lehrstuhls für Tierschutz, Ethologie, Tierhygiene und Tierhaltung an der Tierärztlichen Fakultät der LMU. Wenngleich sie ihren wissenschaftlichen Schwerpunkt auf Geflügel gelegt hat, deckt ihr Lehrstuhlteam Forschung und Lehre zu allen Aspekten der Nutztierhaltung ab. Es forscht an Lösungen, die das Tierwohl in der Nutztierhaltung weiter verbessern können.
Im Fokus von Loutons Arbeit stehen der Tierschutz bei Transport und Schlachtung von Nutztieren, die Verbesserung von Haltungsbedingungen, Managementaspekte sowie die Beziehung zwischen Mensch und Tier. Zu Letzterem läuft aktuell mit „Gentle Chick“ eine Studie, in der die Forschenden um Helen Louton untersuchen, welche Auswirkungen eine frühe Interaktion zwischen Nutztier und Mensch bei Geflügel hat. „Wir konnten zeigen, dass zum Beispiel ein positiv intendierter Kontakt oder ‚Gentling‘ von Hühnerküken in einem sehr frühen Lebensstadium sich positiv auf das Verhalten der Hühner auswirkt“, erläutert Louton. Diese würden angstfrei und damit weitgehend ohne Stress auf die Betreuung durch Menschen reagieren.
Die Awareness in puncto Tierschutz hat durch einen Generationswechsel in der Landwirtschaft und Tierhaltung zugenommen.Helen Louton
In einem weiteren Forschungsprojekt, das in Kooperation unter anderem mit der Universität Rostock – wo sie vor ihrem Wechsel an die LMU geforscht hat – durchgeführt wird, befasst sich Helen Louton mit dem sogenannten „Schlupf im Stall“. „In der Regel erhalten die Zuchtställe ihre Küken von Brütereien“, erklärt die Fachtierärztin. Diese würden mit Lkw transportiert, was Stress verursacht. Um diesen zu vermeiden, werden beim „Schlupf im Stall“ die Eier direkt im Mastbetrieb ausgebrütet. Neben dem wegfallenden Transport haben die Küken auf diesem Weg auch sofort Zugang zu Nahrung und Wasser.
Allerdings hat diese Art der Aufzucht auch Nachteile: Die Stallbetreiber haben hierbei weniger Zeit für die Komplettreinigung der Ställe, was zu mangelnder Hygiene führen kann. Auch müssen sogenannte „Steckenbleiber“, also nicht geschlüpfte Küken, fachgerecht getötet und entsorgt werden, was zusätzliche Fachkunde und Geräte erfordert. Die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen und mögliche Lösungen zu entwickeln, haben sich die Forschenden zum Ziel gesetzt.
Die Studierenden müssen erkennen, wann sie als zukünftige Tierärztinnen und Tierärzte eingreifen müssen.Helen Louton
Bei ihrer Arbeit setzen Louton und ihr Team auf moderne Technologien – etwa bei der Untersuchung des Verhaltens von Hühnern im Stall. Die Tiere erhalten dabei moderne RFID-Tags, eine Technik, die Radiowellen für die Kommunikation nutzt. So können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachvollziehen, wo sich die Hühner wann im Stall aufhalten, was wiederum Rückschlüsse auf ihr Verhalten zulässt. Mit diesen Möglichkeiten können zum Beispiel die Auswirkungen von gesundheitlichen Einschränkungen auf das Verhalten der Tiere und die Ressourcennutzung sowie die Erkennung von potenziellem Leiden untersucht werden.
Hierfür nutzt das Team einen mobilen Stall, den Helen Louton von der Universität Rostock mitgebracht hat und der jetzt auf dem Gelände der Tierärztlichen Fakultät steht.
Helen Louton hat Tiermedizin an der Freien Universität Berlin studiert. An der LMU wurde sie promoviert und hat hier auch ihre Habilitationsschrift Erfassung, Anwendung und Bewertung von Beurteilungskriterien (Tierschutzindikatoren) während der Aufzucht, der Haltung, des Transports und der Schlachtung von Hühnervögeln angefertigt. Dafür erhielt sie im Jahr 2021 einen Habilitationsförderpreis der Münchener Universitätsgesellschaft.
Nicht nur in ihrer Forschung, auch in der Lehre ist Helen Louton die enge Verzahnung von Studium und Praxis sehr wichtig. „Wir führen regelmäßige Exkursionen zu Tierhaltungs- bzw. Schlachtbetrieben durch, um in der Lehre Erlerntes auch in der Praxis umzusetzen“, sagt sie. Auch wenn das Schlachthofpraktikum von einigen Studierenden nicht so gut aufgenommen wird, sei es wichtig für sie zu erfahren, wo es Probleme gibt und was beim Schlachtprozess schiefgehen kann. „Die Studierenden müssen erkennen, wann sie als zukünftige Tierärztinnen und Tierärzte eingreifen müssen.“
Dass Louton auch in ihrer Lehre sehr gut aufgestellt ist, zeigt ihre Auszeichnung mit dem „Women in Ag Award“, bei dem sie den dritten Platz im Bereich Education belegt hat. Der Preis wird von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und dem Women in Ag Magazine (Women in Agriculture) vergeben.