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Vogelnester für den Pharao

06.10.2025

Die Ägyptologin Martina Ullmann erforscht Bildfragmente aus dem Malqata-Palast Amenhoteps III.

Wenn Amenhotep III. über seine Palastböden schritt, ging der Pharao schon mal mitten durch einen See. Unter seinen Füßen schwammen Fische, am Rand nisteten Enten im Schilf und an den Wänden weideten wohlgenährte Rinder zwischen Papyruspflanzen. Die farbigen Malereien an Fußböden, Decken und Wänden trugen zur Pracht seines Königspalastes im westthebanischen Malqata bei – und inszenierten ihn als Garant für Fruchtbarkeit und Wohlstand.

„Amenhotep III. wurde im 14. Jahrhundert vor Christus als sakraler Herrscher Ägyptens verehrt“, erklärt Martina Ullmann, Professorin am Institut für Ägyptologie und Koptologie der LMU. „Die reiche Bemalung seines Palastes war nicht nur Dekoration. Sie zeigte, wie er die Ordnung des Kosmos sicherstellte – und wie das Land unter seiner Herrschaft gedieh.“

Bildfragment aus dem Malqata-Palast von Pharao Amenhotep III.

„Die reiche Bemalung seines Palastes war nicht nur Dekoration. Sie zeigte, wie er die Ordnung des Kosmos sicherstellte – und wie das Land unter seiner Herrschaft gedieh", sagt Martina Ullmann. Das Bildfragment stammt aus dem Malqata-Palast von Pharao Amenhotep III.

© Malqata Project
Wissenschaftliche Untersuchung der Bildfragmente aus dem Malqata-Palast

Wissenschaftliche Untersuchung der Bildfragmente aus dem Malqata-Palast

© Malqata Project

Palaststadt am Nilufer

In einem Projekt, finanziert vom American Research Center in Egypt, restaurierte, dokumentierte und analysierte die Ägyptologin gemeinsam mit ihrer Institutskollegin, Professorin Regine Schulz, ein Dutzend ca. 3.300 Jahre alter Malereien aus Malqata. Archäologen hatten sie um 1900 von den Ruinen des Palastes abgenommen und in das Ägyptische Museum nach Kairo gebracht. „Diese seltenen Exempel für Palastdekoration der späten 18. Dynastie eröffnen Einblicke in die Bildwelten einer Hochkultur“, so Ullmann, „und in die Symbolik eines Königtums, das Natur, Religion und Politik eng verband.“

Während der 38 Jahre langen Regierungszeit Amenhoteps III. sei Ägypten politisch und wirtschaftlich auf einem Höhepunkt gewesen. „In Westtheben, am fruchtbaren Nilufer, ließ der König einen Palast errichten, der eigentlich eine ganze Stadt war: mit Tempeln, Villen für hochrangige Beamte, Werkstätten und einem künstlichen See für Zeremonien.“

Pharao in einer Doppelrolle – als Mensch und Gott

Hier inszenierte sich Amenhotep III. als Pharao in seiner Doppelrolle – als Mensch, der zugleich aber als Gott verehrt wurde. So wurde etwa beim prunkvollen Sed-Fest nach alter Tradition seine Lebens- und Herrschaftskraft erneuert. „Dass er dabei zugleich Kultgeber und -empfänger war, ist im Palast ebenso präsent wie in der Ausstattung seiner Tempel“, erklärt Ullmann. „So stand der Sumpf mit den Enten, Nestern und Fischen für Fruchtbarkeit und Erneuerung, die das Land unter dem Pharao erfuhr. Rinder symbolisierten gesicherte Ernährung, Opfergaben und den Wohlstand des Reiches.”

Bildfragment aus dem Malqata-Palast von Pharao Amenhotep III.

Aufwendige Palastdekoration

„Diese seltenen Exempel für Palastdekoration der späten 18. Dynastie eröffnen Einblicke in die Bildwelten einer Hochkultur“, sagt Martina Ullmann, „und in die Symbolik eines Königtums, das Natur, Religion und Politik eng verband.“

© Malqata Project

Feinde zu Füßen

Ornamente aus Rinderköpfen und Rosetten – sogenannte Bukranien – auf einem Fragment verwiesen auf die Verbundenheit des Pharaos mit dem Kosmos, dem Urmeer und den Sternen, die wiederum für die ständige Erneuerung der Welt standen. Im Zentrum dieser kosmischen Ordnung war Amenhotep III., als lebender Sonnengott auf Erden, für das tägliche Aufgehen der Sonne verantwortlich.

Doch auch als weltlicher Machthaber ließ er, auch bildlich, keinen Zweifel an seiner Stärke. Auf die Böden und Stufen im Thronsaal von Malqata waren gebundene Syrer und Nubier gemalt, damals Feinde Ägyptens, mit typischer Tracht und Haarschmuck. Wann immer der König seinen Thron bestieg, schritt er unweigerlich über sie hinweg.

Restaurierungsarbeiten an den Bildfragmenten aus dem Malqata-Palast von Pharao Amenhotep III.

Restaurierungsarbeiten an den Bildfragmenten aus dem Malqata-Palast von Pharao Amenhotep III.

© Malqata Project

„Kunsthistorisch von besonderem Interesse“

Team der Restaurantsarbeiten im Rahmen des Malqata-Projekts

Teamwork

Das Malqata-Team, in der Mitte Bianca Madden (Oxford) neben Martina Ullmann (3. und 2. von rechts), im Labor in Kairo | © Malqata Project

Die Restaurierung der mehrere Tausend Jahre alten Fragmente war für das deutsch-ägyptische Team kein leichtes Unterfangen. Denn viele Stücke lagerten seit mehr als 100 Jahren im Museum, waren hinter Glas montiert, ihre Farben verdunkelt und kaum erkennbar. Einige der großformatigen Malereifragmente haben auch ein enormes Gewicht, weil man sie nach der Abnahme im frühen 20. Jahrhundert auf einen modernen Lehmuntergrund mit Metallgittern im Inneren aufgebracht hat.

Ullmanns Team reinigte und festigte zunächst vorsichtig die bröckelnden Lehmschichten, nutzte dann auch moderne Technologien wie UV- und Röntgenlicht und Pigmentanalysen – und machte Details sichtbar, die lange verborgen waren.

So trat zum Beispiel das Gefieder der Vögel an den Decken deutlicher hervor. Dass ganze Schwärme wild durcheinanderflatterten, war für die ägyptische Kunst dieser Zeit ungewöhnlich. „Bis dahin hatten ägyptische Maler Vögel meist einzeln und weniger lebendig und naturgetreu dargestellt.“ Auch aus kunsthistorischer Sicht seien die Fragmente damit von besonderem Interesse.

Im Kairoer Museum sind die Bildfragmente nun so arrangiert, dass man ihre einstige Platzierung im Palast nachvollziehen kann. Den längst vergangenen Palast Amenhoteps III. mit seinen prachtvollen Wandmalereien kann man heute sogar von zu Hause aus besuchen – virtuell, im 3D-Modell eines französischen Ägyptologen.

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