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Von Netzstrukturen, Schurkenplaneten und dem Licht einsamer Sterne

23.05.2024

Auf der Suche nach der Dunklen Energie: Das Weltraumteleskop Euclid liefert erstaunlich detaillierte kosmische Ansichten

Die ESA-Weltraummission Euclid hat fünf neue, überaus detailreiche Ansichten des Universums veröffentlicht. Mithilfe dieser Aufnahmen können Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nun die Entwicklung des Universums genauer erforschen und auf die Spur mysteriöser Dunkler Materie und Dunkler Energie kommen. Die neuen Bilder sind Teil der Early Release Observations von Euclid. Parallel dazu werden die ersten wissenschaftlichen Beobachtungsdaten der Mission veröffentlicht, mit denen Forschende nun arbeiten können, und auch erste wissenschaftliche Veröffentlichungen, an denen auch zahlreiche LMU-Wissenschaftler beteiligt sind.

Messier 78 ist eine lebendige Sternentstehungsstätte, die von interstellarem Staub umhüllt ist.

© ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA, image processing by J.-C. Cuillandre, G. Anselmi.

„Die Early Release Observations demonstrieren, wie hochklassig die Instrumente an Bord des Euclid Satelliten sind“, sagt LMU-Physiker Jochen Weller, Mitglied im Exzellenzcluster ORIGINS. „Schon diese frühen Vorzeigeprojekte belegen eindrücklich, was von der Gesamtmission erwartet werden kann: Bilder erster Güte, die unser Verständnis vom Universum und im Besonderen das Rätsel der beschleunigten Ausdehnung beleuchten werden.“

Im Vorfeld der anstehenden Euclid-Hauptdurchmusterung beobachtete das Weltraumteleskop 17 astronomische Objekte, von nahen Gas- und Staubwolken bis hin zu weit entfernten Galaxienhaufen. Ziel dieser Durchmusterung ist es, die Geheimnisse des dunklen Kosmos zu ergründen und herauszufinden, wie und warum das Universum so aussieht, wie es heute ist. „Mit diesem Weltraumteleskop wollen wir die größten offenen Fragen der Kosmologie angehen“, sagt Valeria Pettorino, Euclid-Projektwissenschaftlerin der ESA. „Die ersten Beobachtungen zeigen deutlich, dass Euclid dieser Aufgabe mehr als gewachsen ist.“

Die lebendige Sternentstehungsstätte Messier 78.

Euclid hat mit seiner Infrarotkamera tief in Messier 78 hineingeschaut und verborgene Gebiete der Sternentstehung aufgedeckt, die komplexen Gas- und Staubfäden in noch nie dagewesener Detailtreue kartiert und neu entstandene Sterne und Planeten entdeckt.

© ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA, image processing by J.-C. Cuillandre, G. Anselmi.

Netzartige Strukturen

Euclid soll erforschen, wie sich unser Universum im Laufe der kosmischen Geschichte gebildet und entwickelt hat, dabei die verborgenen, netzartigen Grundstrukturen des Kosmos aufspüren, Milliarden von Galaxien auf mehr als einem Drittel des Himmels kartieren und die geheimnisvollsten seiner grundlegenden Bestandteile untersuchen: Dunkle Energie und Dunkle Materie.

Die von Euclid aufgenommenen Bilder sind mehr als viermal so scharf wie die Aufnahmen, die sich mit erdgebundenen Teleskopen erstellen lassen. Sie decken große Bereiche des Himmels in einer unübertroffenen Tiefe ab. Euklid ist in der Lage, sowohl mit sichtbarem als auch mit infrarotem Licht weit in das ferne Universum hinein zu schauen.

„Das Schöne an Euclid ist, dass es große Bereiche des Himmels mit großer Detailgenauigkeit und Tiefe abdeckt und eine Vielzahl unterschiedlicher Objekte auf einem Bild festhalten kann - von schwachen bis zu hellen, von weit entfernten bis zu nahen Objekten, von den massivsten Galaxienhaufen bis zu kleinen Planeten“, sagt die wissenschaftliche Direktorin der ESA, Prof. Carole Mundell. „Wir erhalten gleichzeitig einen sehr detaillierten und sehr weiten Blick.“

Mehr als schöne Schnappschüsse

Die Bilder sind weit mehr als nur schöne Schnappschüsse. Dank der neuartigen Beobachtungsmöglichkeiten von Euclid enthüllen sie neue physikalische Eigenschaften des Universums. Euclid erstellte den neuen Katalog an nur einem einzigen Tag und entdeckte dabei mehr als elf Millionen Objekte im sichtbaren Licht und weitere fünf Millionen im Infrarotlicht. Diese wissenschaftlichen Geheimnisse werden in einer Reihe von Begleitpapieren der Euclid-Kollaboration näher erläutert.

NGC 6744, ein Archetyp der Art von Galaxie, aus der derzeit die meisten Sterne im lokalen Universum entstehen

Das große Sichtfeld von Euclid deckt die gesamte Galaxie ab und erfasst nicht nur die Spiralstruktur auf größeren Skalen, sondern auch exquisite Details auf kleinen räumlichen Skalen. Dazu gehören auch federartige Staubbahnen, die als "Ausläufer" aus den Spiralarmen austreten und hier in unglaublicher Klarheit zu sehen sind.

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Das Rätsel der Dunklen Energie und die Natur der beschleunigten Ausdehnung

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„Wir sehen mit Euclid diffuses Licht, das bis zu 100.000-mal leuchtschwächer ist als der dunkelste Nachthimmel auf der Erde”, sagt Matthias Kluge, der zu diesem Thema mit Aufnahmen des Wendelstein Observatoriums an der LMU promovierte und jetzt eine der Studien leitet. Mit den Euclid-Aufnahmen konnte das Team feststellen, dass dieses diffuse Sternenlicht im Perseus Galaxienhaufen von Galaxien stammt, die teilweise vollständig durch Gezeitenkräfte zerrissen wurden. Andere Galaxien hatten mehr Glück: „Wir konnten 1100 noch intakte Zwerggalaxien nachweisen, darunter hunderte mit sehr viel schwächerer Leuchtkraft als je zuvor im Perseus-Galaxienhaufen“, berichtet LMU-Doktorand Raphael Zöller, der maßgeblich an der Vermessung dieser Galaxien beteiligt war. „Dies war möglich dank des dunklen Bildhintergrundes, der hohen Bildschärfe sowie des großen Gesichtsfeldes.”

Die ersten Ergebnisse zeigen das Potential von Euclid: Das Weltraumteleskop ist in der Lage, Sternentstehungsgebiete nach frei schwebenden „Schurkenplaneten“ zu durchsuchen, die etwa nur die vierfache Masse des Jupiter haben, die äußeren Regionen von Sternhaufen detailliert zu untersuchen und zahlreiche Sternpopulationen zu kartieren, um zu erkunden, wie sich Galaxien im Laufe der Zeit entwickelt haben. Es kann sogar das Licht von Sternen sehen, die von ihren Muttergalaxien weggerissen wurden.

Euclid ist eine Weltraummission der Europäischen Weltraumagentur (ESA). Aus Deutschland beteiligen sich neben der LMU das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg, das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching, die Universität Bonn (UB), die Ruhr-Universität Bochum (RUB) sowie die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn.

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