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Von Wikingerinnen und weißen Nationalisten

17.08.2023

Skandinavistin Verena Höfig hat seit August 2022 eine Professur für Nordische Philologie mit Schwerpunkt Altnordistik an der LMU inne.

„Ich befasse mich mit Wikingern“, so beschreibt Professorin Verena Höfig gerne ihr Fachgebiet. „Tatsächlich aber bin ich Mediävistin und erforsche die mittelalterliche Kultur Skandinaviens.“ Dabei will sie vom oft bedienten Bild des rauen, kampflustigen und vor allem männlichen Wikingers wegkommen und daneben auch Aspekte wie die Lebensrealität von Frauen und Kindern im mittelalterlichen Skandinavien beleuchten. Seit August vergangenen Jahres hat Höfig die Professur für Altskandinavistik an der LMU inne.

Aus Baden-Württemberg stammend, studierte sie Skandinavistik, Geschichte und Politikwissenschaft an der LMU, lehrte nebenher modernes Isländisch an der Münchner Volkshochschule und schrieb ihre Magisterarbeit über Religiöse und Politische Machtstrukturen in der isländischen Gesellschaft.

Ihre Dissertation Finding a Founding Father: Memory, Identity and the Icelandic landnám schrieb sie als Regents-Stipendiatin an der University of California, Berkeley, wo sie anschließend als Lecturer in Skandinavistik wirkte. An der University of Illinois lehrte sie ab 2015 zunächst als Postdoktorandin in Germanic Languages and Literatures und von 2017 an als Assistenzprofessorin für Germanische Sprache und Literatur sowie Mittelalterstudien.

Professorin Verena Höfig vor einem Bücherregal. Vor ihr auf dem Tisch steht ein Winkingerschiff von Playmobil.

Erforscht die mittelalterliche Kultur Skandinaviens: Verena Höfig.

© LC Productions

Wikinger werden oft für radikale Weltansichten instrumentalisiert

„Das Schöne an der Erforschung des Nordens ist“, so Höfig, „dass dort sehr viel mittelalterliche Literatur überliefert ist sowie ein unglaublich großes Korpus vorchristlicher Artefakte: Bild- und Runensteine, religiöse und mythologische Gegenstände, aber auch exotische Samen, die seinerzeit angeschwemmt und in Schmuckgefäßen aufbewahrt wurden.“ Bei Weitem nicht alle Fundstücke seien jedoch authentisch. „Gefälschte Schwerter oder fehlinterpretierte Runensteine, die von Wikingersiedlungen zeugen sollen, sind etwa im Norden der USA ein Phänomen.“

Eine Rolle in ihrer Forschung spielen auch moderne gesellschaftliche Strömungen, die die vermeintliche heroische Maskulinität der Wikinger verherrlichen und sie sich in teils abstruser Weise zum Vorbild nehmen. „Manche orientieren Ernährung und Fitness-Regime an angeblichen Gebräuchen der Wikinger, andere funktionalisieren sie für radikale Weltansichten.“ So befasste sich Höfig in einer Arbeit mit Old Norse Myth and Radical White Nationalist Groups in Trump’s America.

In Zukunft will sie sich noch stärker der Medizingeschichte im altnordischen Kontext widmen, insbesondere der Frauenheilkunde und Geburtsmedizin. „Hier gibt es etwa mit Runen beschriebene Hölzchen, Bleche und Amulette, die bei der Entbindung helfen, böse Geister und Krankheiten wie Hexenschuss abwehren oder auch Kopfschmerzen kurieren sollten.“

Trotz ihrer Expertise und internationalen Erfahrung räumt Höfig ein, sich als Kind eines Akademiker-fernen Elternhauses in der universitären Welt nicht immer „vollständig zu Hause“ zu fühlen. „Gleichzeitig bin ich stolz darauf, diesen Weg erfolgreich eingeschlagen zu haben – und wünsche mir, dass das Thema Akademiker der ersten Generation in Deutschland noch mehr in den Mittelpunkt gerückt und gefördert wird.“ Nach 15 Jahren USA ist sie nun dennoch mit ihrer Familie „sehr gerne“ in die Heimat und an die LMU zurückgekehrt.

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