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Vor dem Brexit ist nach dem Brexit?

29.05.2017

Welche Auswirkungen hat der Brexit auf das Wissenschaftssystem? Was LMU-Präsident Bernd Huber dazu sagt und die Professoren und Mitarbeiter an der LMU beschäftigt.

Es gibt Stimmen, die davon ausgehen, dass alles bleibt, wie es ist. Und es gibt welche, die große Veränderungen im Wissenschaftssystem durch den Brexit sehen. So oder so wirft das Thema viele Fragen auf und wirbelt nicht nur die Forschungs-Community in Großbritannien auf. „Der Brexit kommt aus meiner Sicht im europäischen Wissenschaftssystem einer Katastrophe gleich“, sagt LMU-Präsident Bernd Huber im Magazin Times Higher Education. „Das kompetitive Wissenschaftssystem in Großbritannien ist bekannt für seine ausgezeichneten Universitäten. Es wird für die europäische Hochschulpolitik eine riesige Herausforderung, mit dem Brexit und dessen Folgen umzugehen“. Auch Beschäftigte der LMU sehen mit Sorge auf die Auswirkungen des Brexit auf Wissenschaft und Forschung.

Professor Neil Thurman ist britischer Staatsbürger und arbeitete 18 Jahre lang an der Universität London. Im Moment forscht und lehrt Thurman am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung mit Schwerpunkt Computational Journalism. Er ist außerdem Freigeist-Fellow der VolkswagenStiftung:

„The Brexit vote has been profoundly unsettling for many EU staff and students at UK universities. UK universities have relatively high levels of foreign staff. Non-British EU academics make up around 17% of the teaching and research staff at UK universities, with the proportion even higher at some institutions. What’s more these staff are some of the UK’s leading researchers, with, for example, high levels of success in ERC funding. While these staff, including over 5000 German nationals, are likely to be able to stay in the UK post-Brexit, some may not, feeling the UK has become a less open and less tolerant place to live. Even more significant, perhaps, for UK academia is the implication of Brexit on research funding and recruitment. There are doubts whether the UK Government will match, post Brexit, the funding UK universities currently receive from EU schemes, and whether, with Theresa May wanting to reduce net migration to “tens of thousands”, UK universities will be able to continue to recruit top-talent. As well as relying heavily on international staff, UK universities also have a high dependence on overseas students, whose tuition fees make up about 14 per cent of total university income. Post-Brexit tuition fees for EU students are likely to double, and with the uncertainty around the right to work, both during and after their studies, the UK is bound to become a less attractive destination, putting further pressure on university budgets. All-in-all Brexit is casting a dark cloud over British higher education.“

Jean Schleiss ist gebürtige Schottin und begleitet seit 30 Jahren das Erasmus-Programm an der LMU. Schleiss ist stellvertretende Leitung des International Office:

„Ich durfte mit gerade 19 Jahren beim allerersten Referendum Großbritanniens meine Stimme abgeben. Dass ich unter den 67% der Wählerinnen und Wähler war, die für den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Gemeinschaft gestimmt haben, machte mich damals sehr glücklich. Diesmal durfte ich leider nicht wählen und musste aus der Ferne zusehen, wie mein Heimatland für den Brexit stimmte. Als Schottin und überzeugte Europäerin fällt es mir immer noch schwer das Wahlergebnis zu akzeptieren. Ich hatte das große Glück, seit 1987 das Erasmus-Programm an der LMU aufzubauen und zu begleiten. Großbritannien war seit Beginn des Programms eines der beliebtesten Zielländer von LMU-Studierenden. Als ich mich vom ersten Brexit-Schock erholte, machte ich mir deshalb sofort Gedanken über die Zukunft unserer Partnerschaften mit britischen Universitäten. Gerade jetzt, als die britische Nationalagentur für Erasmus+ erklärte, dass 2016 das erfolgreichste Jahr des EU-Bildungsprogramm Erasmus+ gewesen ist und für 2017 ein weiteres Rekordjahr erwartet wird, nähert sich der Austausch womöglich dem Ende. Unsere Partner sind über Brexit genauso entsetzt wie wir. Viele Partner bestätigen ihr anhaltendes Bekenntnis zur Partnerschaft. Obwohl noch Unsicherheit über die Zukunft herrscht, betonen sie, dass sie weiterhin mit uns kooperieren wollen. In ihrer Bestrebung, dem Brexit zu trotzen, haben einige britische Universitäten sogar neue Austauschabkommen mit uns abgeschlossen. Inzwischen hat die Nationalagentur für Erasmus+ in Großbritannien erklärt, dass Großbritannien auch 2018 weiterhin vollumfänglich im Erasmus+ Programm bleiben wird. Universities UK International (UUKi) betont die Wichtigkeit der deutsch-britischen Zusammenarbeit. UUKi hat eine umfangreiche Brexit-Prioritätsliste erstellt und ist fest entschlossen, dass Großbritanniens Entscheidung aus der EU auszutreten, den gegenseitigen Austausch von Wissen und Expertise nicht zum Erliegen bringen soll und die Incoming- und Outgoing-Mobilität nicht einschränken soll. In der Hoffnung, dass UUKi‘s Verhandlungen mit der EU-Kommission und mit der britischen Regierung erfolgreich sind, bleibe ich leise optimistisch.“

Professor Andreas Ladurner ist italienischer Staatsbürger, studierte Biochemie in England und promovierte an der Universität Cambridge. Seit 2010 forscht und lehrt Ladurner am Biomedizinischen Centrum zum Thema der Genregulation. Er leitet bereits zum dritten Male ein europäisches Marie Skłodowska-Curie Ausbildungsnetzwerk für Promovierende:

„Some of the rhetoric emanating ahead of the impending Brexit does not bode well for European science. Much of the knowledge that we take for granted, builds on a long academic and industrial history of free scientific exchange, transfer of knowledge and the funding of joint initiatives between the UK and the rest of Europe. Brexit will raise hurdles that may limit the free exchange of ideas and people, leading to a degree of separation in European science that negatively impacts the knowledge society. As a coordinator of EU-funded research networks, I have been most fortunate to work with fantastic colleagues, students and staff across all of Europe, unfettered by barriers. What makes these programs successful is how they innovate biomedicine by helping to structure new fields, bringing people together, allowing scientists to pursue new avenues and providing the high-quality training that helps bright young scientists develop their careers. Establishing joint research activities and scientific meetings across Europe requires significant financial support. Doing this together with UK colleagues may be much harder without EU support. Out of the diversity that defines all EU networks, comes a shared identity that celebrates knowledge and change. In my own field of epigenetics, we tackle how organisms survive by adapting to environmental changes. So I am convinced that European scientific networking will also adapt to and ultimately survive Brexit. But we need to work together with our UK colleagues to find new solutions that fit our enduring culture of European science.”

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