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Warum Bauernhof-Staub schützt

04.09.2015

Kinder, die auf einem Bauernhof groß werden, erkranken deutlich seltener an Asthma und Allergien als Stadtkinder. Eine neue Studie deckt nun den Mechanismus dieses Phänomens auf.

Wer viel im Kuhstall spielt, schützt sich aktiv vor Asthma und Allergien: Diesen Bauernhof-Effekt konnten Forscher um die LMU-Medizinerin Erika von Mutius in mehreren Studien nachweisen. Demnach kommen Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, mit besonders vielen Zellwand-Bestandteilen verschiedener Bakterien - sogenannten Endotoxinen - in Kontakt, die sie mit dem Staub einatmen. Das regt die kindliche Immunabwehr an und beugt späteren Fehlreaktionen des Immunsystems vor. „Welcher Mechanismus diesem Schutzeffekt zugrunde liegt, war bisher allerdings unbekannt“, sagt von Mutius, die Leiterin der Asthma- und Allergieambulanz am Dr. von Haunerschen Kinderspital. Im Rahmen einer neuen Studie, an der auch Mutius beteiligt war, konnte ein internationales Forscherteam nun nachweisen, dass das Enzym A20 dabei eine entscheidende Rolle spielt – und dass eine bestimmte Mutation die Anfälligkeit für Asthma beeinflusst. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in der neuen Ausgabe des Fachmagazins Science.

Allergisches Asthma beruht auf einem komplexen Zusammenspiel von genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen. Es entsteht, wenn das Immunsystem durch eingeatmete Allergene wie Hausstaubmilben aktiviert und eine Signalkaskade in Gang gesetzt wird, durch die es zu chronischen Entzündungen in den Atemwegen kommt. Wie die Forscher nun am Mausmodell zeigen konnten, schützen im Stallstaub enthaltene Endotoxine vor allergischen Reaktionen, weil sie das Enzym A20 in der Schleimhaut der Atemwege stimulieren. A20 inhibiert daraufhin einen für die Immunreaktion entscheidenden Transkriptionsfaktor und stoppt so die Entzündungskaskade. Ohne A20 funktioniert der Schutz nicht: Mäuse, die das Enzym in der Atemwegsschleimhaut nicht bilden können, entwickelten trotz täglicher Endotoxin- bzw. Stallstaubgaben Asthma-Symptome, wenn sie allergieauslösenden Faktoren ausgesetzt wurden und waren darüber hinaus besonders empfindlich gegenüber Allergenen.

Genvariante beeinflusst Asthma-Schutz

Versuche mit humanen bronchialen Epithelzellen zeigten, dass A20 auch beim Menschen eine Rolle spielt: Nach der Stimulation mit Endotoxinen enthielten die Zellen gesunder Kontrollpersonen mehr A20 als die Zellen von Asthma-Patienten. A20 wird beim Menschen von dem Gen TNFAIP3 codiert, von dem bekannt ist, dass es in mehreren genetischen Variationen, sogenannten SNPs, vorkommt. Mutius‘ Team widmete sich im Rahmen der Studie besonders der Frage, ob es im Hinblick auf den Asthma-Schutz von Bauernkindern auch eine genetische Komponente gibt. „Mithilfe von Daten aus früheren Studien konnten wir nun tatsächlich zeigen, dass eine bestimmte TNFAIP3-Variante das Risiko für Asthma und Allergien erhöht“, sagt von Mutius. Und nicht nur das: Je nachdem, welche Mutation vorliegt, funktioniert der Endotoxin-Schutz besser oder schlechter. Bei einer Variante kann Asthma durch Endotoxine fast vollständig unterdrückt werden, während bei der anderen der Schutz nur noch zu etwa 30 Prozent funktioniert.

„Diese Ergebnisse sind ein riesiger Fortschritt für das Verständnis der Schutzfunktion von Bauernhofexposition und Endotoxinen“, betont von Mutius. Und möglicherweise können die Ergebnisse zukünftig auch die Entwicklung neuer Therapien voranbringen: Medikamente, die an A20 ansetzen und das Enzym aktivieren, könnten allergieanfälligen Personen helfen, überschießende Immunreaktionen zu bremsen.(Science 2015 )

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