Wissenstransfer: Wie LMU-Gründerinnen und Gründer die Zukunft gestalten
03.11.2025
Innovative Spin-offs aus der LMU zeigen, wie aus Forschungsergebnissen praxisnahe Lösungen werden – von KI in der Tiermedizin bis zur ersten mRNA-Therapie gegen Diabetes.
Hydranten, Zebrastreifen, Fahrräder – wer auf den Miniaturdarstellungen alles erkennt, ist garantiert kein Bot, sondern ein Geduldsmensch. Captchas auf Webseiten nerven. Wie es einfacher geht, zeigt Benedikt Padberg.
Der LMU-Alumnus und Gründer hat mit seinem „Friendly Captcha“ eine Lösung entwickelt, bei der die Bot-Abfrage quasi unsichtbar, völlig datenschutzkonform, sicher und vor allem auch barrierefrei abläuft. Denn das lästige Erkennenmüssen von schlechten Bildern entfällt.
Das kleine Unternehmen aus Wörthsee hat mittlerweile zahlreiche renommierte Kunden und ist damit eines von vielen erfolgreichen Spin-offs aus der LMU, die beim ersten Innovator’s Forum des Innovation & Entrepreneurship Center (IEC) Ende Oktober ihre Geschäftsideen vorgestellt haben.
Wissenschaftliche Erkenntnisse werden zu unternehmerischen Ideen
Viele Spin-offs der LMU kommen aus der Informatik, der Biotechnologie, der Wirtschaft oder der Medizin und sind bereits erfolgreich am Markt platziert. Dr. Philipp Baaske, Vizepräsident für Entrepreneurship der LMU, sieht die Gründe für den erfolgreichen Wissenstransfer von der Universität in die Gesellschaft vor allem in der thematischen Breite und Forschungsstärke der LMU begründet. „Aus exzellenter Forschung entsteht exzellentes Entrepreneurship. Gerade in der wissenschaftlichen Diversität unserer Forschenden und ihrem freigeistigen Denken liegen enorme Chancen, die Herausforderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik angehen zu können.“
Um diesen Weg zu ermöglichen, stellt die LMU die nötige Infrastruktur bereit – in Form des LMU IEC. Es dient als zentrale Anlaufstelle für Forschende und Studierende der LMU – über Fächer- und Ländergrenzen hinweg. „Wir schaffen mit dem Center Räume, in denen wissenschaftliche Erkenntnisse zu unternehmerischen Ideen werden – dank herausragender Forschung, innovativer Lehre und gezielter Unterstützung für Studierende und Forschende, die ihre Ideen umsetzen möchten“, erläutert Dr. Dominik Domnik, Managing Director des IEC.
Im Gegensatz zu vielen anderen Gründungszentren richtet sich das LMU IEC ausschließlich an LMU-Angehörige. Es unterstützt wissenschaftsbasierte Innovationen und begleitet Gründungsideen von Beginn an. Dabei geht der Blick über technologische Entwicklungen hinaus – auch die Motivation der Gründerinnen und Gründer sowie ihr gesellschaftlicher Beitrag stehen im Mittelpunkt.
Gesellschaftlicher Impact mit Deep Learning
Gesellschaftlich Akzente zu setzen, eint viele Gründungen aus der LMU. Benedikt Padberg etwa betont explizit, dass ihm in seinem Unternehmen der Impact wichtiger sei als reine Zahlen.
Dieser Nutzen ist auch bei PathoPan offensichtlich. Das Spin-off nutzt Deep-Learning-Technologie, um Tierärzten, Laboren und Veterinärexperten eine Plattform zu bieten, die von der Einsendung bis zum Befund jede medizinische Probe digital begleitet. Der Prozess reicht von der Online-Anmeldung über die Aufbereitung im Labor bis zur KI-gestützten Analyse und abschließenden fachlichen Beurteilung. So entstehen präzise Laborbefunde, die als Grundlage für therapeutische Entscheidungen dienen.
Masterarbeit als Initialzündung
Ausgangspunkt von PathoPan war die Masterarbeit von Johannes Strodel, bei der er am LMU Klinikum mithilfe von Künstlicher Intelligenz die Lungenflüssigkeit von transplantierten Patienten automatisiert und präzise analysierte. Zusammen mit seinem Kommilitonen Moritz Koch reifte die Idee, diese Technologie weiterzudenken. „Durch Zufall kamen wir auf den IEC-Inkubator – wenige Tage vor Ende der Bewerbungsfrist“, erinnert sich Moritz Koch. „Wir haben in einer Nacht-und-Nebel-Aktion alles eingereicht.“ Das Ergebnis: eine Zusage und direkter Einstieg ins Programm. Seitdem arbeitet PathoPan in einem Büro an der Giselastraße an der Umsetzung.
Wir schaffen mit dem Center Räume, in denen wissenschaftliche Erkenntnisse zu unternehmerischen Ideen werden – dank herausragender Forschung, innovativer Lehre und gezielter Unterstützung für Studierende und Forschende, die ihre Ideen umsetzen möchten
Dominik Domnik, Managing Director LMU IEC
Ein bis heute kaum erschlossener Markt
Parallel suchte das Team nach Finanzierung – mit Erfolg: Dank Unterstützung des LMU-Spin-off-Service erhielten sie das EXIST-Gründungsstipendium pünktlich zum Studienabschluss. Die Marktanalyse zeigte jedoch: Innovation in der Humanmedizin ist aufwendig und teuer. „In der Veterinärmedizin bestehen ähnliche Probleme – aber mit schnellerem Zugang“, so die Gründer. Dieser Richtungswechsel hat sich gelohnt: Heute entwickelt PathoPan KI-gestützte digitale Pathologie für Tiere – ein bisher kaum erschlossener Markt. München bietet dafür ideale Bedingungen, denn eine der fünf veterinärmedizinischen Fakultäten Deutschlands liegt direkt vor Ort.
Reger Austausch auf dem Innovator's Forum des LMU IEC
Der Inkubator, der auch Strodel und Koch wichtige Impulse gab, ist ein zentrales Element innerhalb des LMU IEC. „Es ist ein Erprobungsfeld für bestehende Ideen“, sagt Annie Weichselbaum, die den Inkubator leitet. „In einem Zeitraum von fünf Monaten arbeiten die Teams in verschiedenen Modulen zu Themen wie Mindset, Purpose, Wirkung, Führung und Selbstführung – neben den klassischen Inhalten wie Produkt- und Geschäftsmodellentwicklung.“ Dabei gehe es auch darum, herauszufinden, ob das Team so zusammenarbeiten kann wie gedacht, ob Motivation und Dynamik stimmen, denn: „Gründen ist immer Teamarbeit.“
Herausforderung in einer unsicheren Welt
Gründen ist aber auch eine Herausforderung – insbesondere in Zeiten mit wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten. Das merken auch die Expertinnen und Experten am LMU IEC – etwa am Rückgang von Bewerbungen. Annie Weichselbaum: „Viele junge Menschen haben schlicht Angst vor der Zukunft. In diesem Umfeld erscheint Entrepreneurship für viele nicht als Weg zu Sicherheit und Stabilität.“
Veränderung bietet Raum für Neues
„Uns ist es daher besonders wichtig, zu vermitteln: Schaut her – ihr könnt eure eigene Zukunft und die unserer Gesellschaft aktiv mitgestalten. Mit eigenen Ideen, Umsetzungen und unternehmerischem Geist lässt sich viel bewegen.“
Philipp Baaske sieht das genauso: „Jetzt ist die beste Zeit zu gründen. Wir haben NanoTemper in der Finanzkrise 2008 gegründet und ich denke, dass die Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Fördermöglichkeiten heute besser sind als vor einem Jahrzehnt. Wenn die Gesellschaft und die Geopolitik im Wandel begriffen sind, ergeben sich ganz andere Chancen, viel Raum für Neues.“ Sein Appell ist daher klar: „Man muss einfach nur machen!“
Ausprobieren als Einstieg
Oft stecke hinter dem Bedürfnis nach Sicherheit auch der Wunsch, etwas Sinnvolles beizutragen, zu gestalten und Verantwortung zu übernehmen – da ist sich Annie Weichselbaum sicher. Um Zögernde zu überzeugen, hat das IEC extra neue Formate etabliert, die vor allem zum Ausprobieren einladen sollen. „Studierende sollen erleben, ob und wie sie in ihre eigene Wirksamkeit kommen – und zwar nicht, indem sie das tun, was jemand vorgibt, sondern indem sie selbst gestalten“, sagt Weichselbaum. Als Beispiele nennt sie etwa den „impACTup!“-Kurs, den „5-Euro-Business-Sprint“ oder das „MindMakers Weekend“ im Rahmen des Gründungshubs Oberbayern.
Dr. Maren Heimhalt vom Biomedizinischen Centrum der LMU hat den ersten Schritt von der Forschung in die Gründerwelt gewagt. Ihre Vision: Mithilfe von mRNA soll ein Protein im Körper hergestellt werden, das die Insulinwirkung verstärkt. Eine Technologie, die während der Pandemie mit Impfstoffen weltweit bekannt wurde, soll nun auf eine ganz andere Krankheit angewendet werden. „Das wäre die erste mRNA-Therapie für Diabetes“, sagt sie.
Seit rund einem Jahr arbeitet sie daran, ihre Forschung in ein Start-up zu überführen. Auch sie hat den Inkubator des LMU IEC sowie verschiedene Fördertöpfe genutzt. Und ist begeistert von der Unterstützung: „Ich war unglaublich dankbar für die Hilfestellung.“ Vor allem habe sie eine völlig neue Sprache lernen müssen. „Ich hatte bis dahin wissenschaftliche Anträge geschrieben. Aber die Förderanträge für Spin-offs funktionieren ganz anders.“ Da sei guter Rat teuer.
Natürlich weiß sie, dass es bis zur Anwendung noch ein weiter Weg ist. Derzeit wartet sie auf die nächste Förderphase für eine Machbarkeitsstudie – dann könnte die Therapie erstmals im Tiermodell getestet werden.
„Ein spannender, aber herausfordernder Prozess“
Auf jeden Fall hat sie sich personelle Unterstützung durch Martin Treml geholt. Die beiden arbeiten jetzt daran, das Konzept technologisch weiterzuentwickeln. Kennengelernt haben sich beide über eine gemeinsame Bekannte – ein Glücksfall, wie sie berichten. „Wir haben uns dort näher kennengelernt und gesehen, wie gut sich unser Fachwissen ergänzt.“
Martin Treml ist mRNA-Experte und konnte bereits Erfahrungen in der Industrie sammeln. Heute baut er an der Fakultät für Physik der LMU eine Produktionsplattform für mRNA.
„Die große Frage ist: Wie bringen wir den Wirkstoff dorthin, wo er wirken soll?“, sagt er. Während seine Kollegin das Design des therapeutischen Proteins übernimmt, entwickelt er Strategien für den Transport der mRNA im Körper – ein komplexes Feld, das in der Forschung derzeit enorme Aufmerksamkeit erhält.
„Es ist ein spannender, aber herausfordernder Prozess“, sagt Maren Heimhalt. „Aber ich sehe, wie viel Potenzial darin steckt. Und das motiviert jeden Tag.“
Heimhalt und Treml haben das Credo von Philipp Baaske beherzigt: „Einfach machen!“