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Zahl, was du willst

08.06.2015

Wenn Kunden selbst entscheiden, wie viel sie zahlen, kann sich das für den Verkäufer lohnen.

Bei interaktiven Preismodellen wie Pay-What-You-Want bestimmen die Kunden mit, wie viel sie zahlen. Wann das für den Verkäufer eine kluge Strategie ist und warum dieser Mechanismus in einem Restaurant, aber nicht beim Autohändler funktionieren kann, erklären Professor Klaus Schmidt vom Seminar für Wirtschaftstheorie und Professor Martin Spann, Direktor des Instituts für Electronic Commerce und Digitale Märkte an der LMU. Die beiden Ökonomen untersuchen im Rahmen eines DFG-Projekts die Vor- und Nachteile solcher Preismechanismen. Für die erste Veröffentlichung über ihre Untersuchungen haben sie gerade einen Preis gewonnen.

Sie untersuchen, ob und wann Menschen bereit sind, freiwillig für etwas zu bezahlen. Wer gibt denn mehr als er muss? Klaus Schmidt : Viele Menschen sind bereit, freiwillig etwas zu zahlen, selbst in einer so anonymen Situation wie einem Experiment im Labor. Wer stärker durch Fairness motiviert ist, gibt deutlich mehr als andere. Auch eine wiederholte Interaktion zwischen Käufer und Verkäufer kann freiwillige Zahlungen motivieren. Kunden haben einen Anreiz zu zahlen, wenn sie wollen, dass der Anbieter auch morgen noch im Markt ist.

Und wie viele Trittbrettfahrer gibt es? Martin Spann : In unseren Experimenten sind es nicht mehr als 40 Prozent über alle Szenarien hinweg. Wenn ich Pay-What-You-Want anbiete, muss ich damit rechnen, dass einige nichts geben. Aber im Durchschnitt zahlen die Kunden.

Welches Unternehmen bietet in der wirklichen Welt dieses Preismodell an? Schmidt: Das gibt es erstaunlich häufig. Vor allem dort, wo es nicht in erster Linie darum geht, den Gewinn zu maximieren, sondern sein Produkt möglichst vielen Leuten bereitzustellen, es aber nicht an alle zu verschenken. Viele Museen machen das beispielsweise. Insbesondere im angelsächsischen Raum ist es üblich, keinen festen Eintrittspreis zu verlangen. Aber auch für Kirchen in Amerika und Frankreich zahlen die Gläubigen, soviel sie wollen. Das ist ein schönes Beispiel, bei dem die wiederholte Interaktion eine Rolle spielt: Wenn ich will, dass meine Gemeinde weiterbesteht, muss ich bereit sein, dazu etwas beizutragen. Auch Wikipedia rief kürzlich seine Nutzer dazu auf, freiwillig zu zahlen, und hat so mehrere Millionen eingesammelt. Kommerzielle Unternehmen machen das auch, aber da steht häufig der Werbeeffekt im Vordergrund und es ist meist zeitlich befristet. Pay-What-You-Want ist eine Möglichkeit, den Markt zu durchdringen, weil jeder das Gut umsonst haben kann, aber einige tragen eben doch freiwillig zu den Kosten bei. Pay-What-You-Want kann sich auch lohnen, wenn es komplementäre Güter gibt, die man verkaufen will. Spann : Die Voraussetzung ist, dass man geringe Stückkosten hat. Dann kann man Kunden, die wenig oder gar nicht zahlen, besser verkraften. Deswegen gibt es das meistens im Dienstleistungsbereich, Restaurants, Hotels, Museen oder auch Software-Anbieter nutzen das, wenn sie die Grundversion gratis abgeben, aber ein Add-On davon verkaufen.

Ist das ein neuer Trend, dass Kunden die Preise selbst mitbestimmen? Spann: Eine der großen Innovationen bei der Preisgestaltung war vor etwa 150 Jahren die Einführung eines Festpreises. Dadurch wurden Transaktionen für alle einfacher, weil es keine Verhandlungskosten mehr gab. Über das Internet ist Interaktion und Transaktion auf einmal wesentlich kostengünstiger, sodass plötzlich interaktive Preismechanismen zurückgekommen sind, ebay ist ein klassisches Beispiel dafür. Schmidt : Wobei es vor 150 Jahren üblich gewesen wäre, zu handeln. Bei Pay-What-You-Want wird es vollständig dem Kunden überlassen, ob und wie viel er bezahlen will.

Sie untersuchen im Rahmen Ihres DFG-Projekts auch andere Preismodelle. Was zum Beispiel? Spann: Wir schauen uns generell kundengetriebene Preismechanismen an, zum Beispiel auch sogenannte „Name-Your-Own-Price“- Auktionen, die ein großer amerikanischer Anbieter von Hotels und Reisen im Internet etabliert hat. Dabei geben Kunden einen Preis ihrer Wahl ab, sind aber nicht immer erfolgreich, weil der Verkäufer einen geheimen Mindestpreis hat. Schmidt : Dieses Verfahren hört sich ähnlich an wie Pay-What-You-Want, weil der Konsument bestimmt, was er zahlt. Aber wer zu wenig bietet, bekommt nichts. Das spricht nicht die sozialen Präferenzen an, sondern es geht eher um Risikoaversion und Zahlungsbereitschaft. Wer als Geschäftsreisender unbedingt ein Hotelzimmer für eine bestimmte Nacht benötigt, zahlt eher einen Festpreis, um sicher zu sein, dass er das Zimmer auch bekommt. Der Verkäufer erreicht durch diese Auktion, dass verschiedene Kundengruppen unterschiedlich viel bezahlen. So kann er den Markt segmentieren und verbreitern. Der große Vorteil bei Name-Your-Own-Price ist, dass man nicht auf hohen Kosten sitzen bleiben kann, wenn Kunden gar nichts zahlen. Der Nachteil ist, dass ich den Markt nicht so gut durchdringen kann.

Sind die Kunden online oder im direkten Dialog eher bereit freiwillig zu zahlen? Spann: Prinzipiell würden wir erwarten, dass eine persönliche Interaktion vorteilhaft ist. Wenn ich im Restaurant dem Kellner beim Bezahlen in die Augen schauen muss, ist das für den Anbieter sicher von Vorteil. Unsere Experimente haben aber gezeigt, dass es auch anonym funktionieren kann. Schmidt: Es würde mich sehr wundern, wenn in einem Restaurant mehr als zehn Prozent gehen ohne etwas zu zahlen. So ein Lokal könnte man natürlich nicht am Hauptbahnhof einrichten, wo die Menschen vorbeigehen und nie wiederkommen. Aber man kann es in der Nachbarschaft machen, wo es den Gästen peinlich wäre, einfach zu gehen. Spann: Eines der bekanntesten Beispiele lieferte die Band Radiohead, die vor einigen Jahren ihr Album als Download nach dem Pay-What-You-Want–Prinzip angeboten hat. Dadurch hat sie die Wertschöpfungskette der Musikindustrie umgangen, die dazu führt, dass bei einem CD-Preis von zehn Dollar nur etwa 1,5 Dollar beim Künstler ankommen. Mit Pay–What-You-Want hat die Band dann sogar im Durchschnitt zwei Dollar verdient. Schmidt : Es ist bemerkenswert, das sie das nur ein Mal gemacht haben. Das nützt sich möglicherweise auch ab. 2007 war das ein toller Marketinggag, alle haben darüber geredet. Aber es zeigt, dass es eine Nische ist. Wir sagen nicht, dass Pay-What-You-Want das alleinige Geschäftsmodell der Zukunft ist und alle Unternehmen das nun machen sollen. Es wird immer eine Minderheit der Verkäufer sein, die das nicht für alle ihre Produkte und nicht in allen Situationen einsetzen. Aber in bestimmten Situationen kann es ein sehr erfolgreicher Mechanismus sein.

Üblicherweise ärgern sich Käufer, wenn sie mehr als andere bezahlen. Hat bei Pay-What-you-Want diese Ungleichheit nicht System, da jeder den Preis frei wählt? Schmidt : Wenn ich im Flugzeug sitze und weiß, der Nachbar hat nur 20 und ich habe 500 Euro für den Flug bezahlt, ärgere ich mich sehr. Aber wenn ich mich freiwillig entschieden habe, was ich zahle, dann verschwindet das und dann verschwindet auch der Referenzpreis, an dem man sich sonst bei Preisvergleichen orientiert.

Sie werden ein Pay-What-You-Want-Projekt des Thieme Verlags wissenschaftlich begleiten. Welche Fragestellungen verfolgen Sie damit? Spann : Der Verlag führt eine neue Open-Access-Zeitschrift ein und will ein Pay-What-You-Want-Modell für die Autoren anbieten. Die Leistung ist, dass der Artikel gedruckt wird. Üblicherweise werden dafür im Wissenschaftsbereich 1000 bis 2000 Euro verlangt. Uns interessiert dabei, inwieweit Autoren bereit sind, freiwillig zu zahlen, wobei sie darüber informiert werden sollen, was der normale Preis wäre.

Für welche Produkte bietet sich Pay-What-You-Want denn keinesfalls an? Spann: Viele Menschen fühlen sich schlecht, wenn sie zu wenig zahlen. Aber wer die Chance hat, einen BMW für fünf Euro zu kaufen, nimmt es vielleicht in Kauf, sich etwas schlecht zu fühlen. Die Versuchung, bei einem hochpreisigen Produkt von der eigenen Norm abzuweichen und nichts oder viel zu wenig zu zahlen, wäre einfach zu groß. Schmidt : Es gibt Restaurants, die mittags Pay-What-You-Want anbieten, aber abends eine normale Karte haben und feste Preise verlangen. Sie machen das in der Regel nur fürs Essen und nicht für die Getränke. Man kann eben nicht sagen, dass der Mensch grundsätzlich gut ist und alle brav bezahlen. Es gibt einige, die dann den teuersten Whiskey oder Champagner umsonst trinken würden.

Interview: Nicola Holzapfel

Professor Klaus Schmidt ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftstheorie an der Volkswirtschaftlichen Fakultät der LMU. Zudem ist er ist unter anderem Sprecher des Sonderforschungsbereichs "Governance and the Efficiency of Economic Systems" und Gründungsdirektor des "Munich Experimental Laboratory for the Economic and Social Sciences (MELESSA)".

Professor Martin Spann ist Direktor des Instituts für Electronic Commerce und Digitale Märkte an der Fakultät für Betriebswirtschaft der LMU. Darüberhinaus ist er unter anderem Direktor des LMU Center for Advanced Management Studies sowie Scientific Director des Center for Digital Technology and Management (CDTM).

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