Zoologie: Frühe Bären waren Allesfresser
17.09.2025
Dreidimensionale Kieferanalysen enthüllen den Speiseplan der ausgestorbenen Bärenart Ursus minimus.
17.09.2025
Dreidimensionale Kieferanalysen enthüllen den Speiseplan der ausgestorbenen Bärenart Ursus minimus.
Die Zoologin nutzte einen Microscribe zur Vermessung der Bären-Kiefer mit Hilfe digitaler Messpunkte, sogenannter Landmarks. | © Anneke van Heteren, SNSB-ZSM
Spezielle 3D Formanalysen seiner Kieferknochen zeigen: Der ausgestorbene Bär Ursus minimus, eine der ältesten Bärenarten Europas, hatte ein breites Nahrungsspektrum ohne eine Spezialisierung auf Insekten – anders als bisher angenommen. Er war damit besonders anpassungsfähig an ein wechselndes Nahrungsangebot. Die Zoologin PD Dr. Anneke van Heteren veröffentlichte die Ergebnisse ihrer Studie nun in der Fachzeitschrift Boreas.
Ursus minimus – vermutlich der gemeinsame Vorfahr der meisten modernen Bärenarten – lebte vor 4,9 bis ungefähr 1,8 Millionen Jahren, zur Zeit des Pliozäns möglicherweise bis ins frühe Pleistozän, in Europa. Er ist der erste Schwarzbär Europas und damit der älteste bisher bekannte Vertreter der Gattung Ursus, zu der auch heutige Braun- und Eisbären gehören. Bisher gingen Forschende davon aus, dass sich der Ur-Bär hauptsächlich von Insekten ernährte. Eine neue Studie von Anneke van Heteren, Sektionsleiterin für Mammalogie an der Zoologischen Staatssammlung München (ZSM) und Mitglied am Geobio-Center der LMU, zeigt nun ein anderes Bild: Ursus minimus, der sogenannte Auvergne-Bär, war höchstwahrscheinlich ein typischer Allesfresser – ganz ohne spezielle Vorliebe für Insekten.
Die Säugetierexpertin verglich für ihre Forschungsarbeit Kiefer von Ursus minimus mit denen anderer moderner sowie früherer Bärenarten mit ganz unterschiedlichen Nahrungsspektren – darunter Spezialisten wie der insektenfressende Malaienbär, der fleischfressende Eisbär oder der rein vegetarisch lebende Panda. Die Kiefer der Bären unterscheiden sich insbesondere in ihrer Biomechanik beim Kauen der Nahrung. Unterschiedliche Öffnungswinkel der Kiefer sowie die Lage der Kaumuskulatur offenbaren die Ernährungsgewohnheiten der Tiere. Die Forscherin aus München nutzte für ihre Studie die sogenannte geometrische Morphometrie. Das ist die Vermessung von Skeletteilen mit Hilfe digitaler Messpunkte, sogenannten Landmarks. Diese 3D-Formanalyse erlaubt es, die Kieferknochen der Bären dreidimensional zu visualisieren und über statistische Verfahren zu vergleichen.
„Als echter Allesfresser war Ursus minimus besonders flexibel und anpassungsfähig und konnte sich leicht auf ein wechselndes Nahrungsangebot einstellen. Diese allgemeine Anpassungsstrategie könnte die Grundlage für die spätere Entwicklung spezialisierter Ernährungsformen bei den Bären sein. Die Erkenntnisse über die Ernährungsgewohnheiten so ursprünglicher Arten wie Ursus minimus liefert neue Zusammenhänge für unser Verständnis der evolutionären Entwicklung der Bären und ihrer Anpassungen an sich verändernde Umweltbedingungen“, erläutert Anneke van Heteren, Säugetierkuratorin an der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) und Autorin der Studie.
Die meisten heute noch lebenden sowie inzwischen ausgestorbenen Bärenarten – mit ihrer gesamten Bandbreite an unterschiedlichen Ernährungsformen – gehen auf den sehr ursprünglichen Ursus minimus zurück.
Anneke H. van Heteren: Exploring dietary adaptations in Ursus minimus: a 3D geometric morphometric analysis of the mandible. Boreas 2025