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Klinische Tests können im September beginnen

18.05.2020

Wissenschaftler aus Marburg, Hamburg und München entwickeln unter dem Dach des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung eine Vakzine gegen des neue SARS-Coronavirus. Derzeit wird der Impfstoff für erste Tests am Menschen produziert.

Aufnahme eines Mitarbeiters bei der Impfstoffforschung an der LMU.

© LMU

Noch in diesem Jahr soll ein potenzieller Impfstoff gegen SARS-CoV-2 in ersten klinischen Versuchen am Menschen getestet werden. „Der Bauplan für den Impfstoff ist fertig. Jetzt muss der Impfstoff für die klinischen Tests noch produziert werden“, erklärt Professor Stephan Becker. Der Leiter des Instituts für Virologie an der Universität Marburg und Koordinator des Bereichs „Neu auftretende Infektionskrankheiten“ im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) ergänzt: „Wir haben jetzt finanziell und logistisch alles zusammen, um bald eine klinische Prüfung der Phase I zu starten.“ In dieser Phase stehen die Tests auf Verträglichkeit und Anregung von Immunantworten an. In Marburg findet das Immun-Monitoring statt – also die Charakterisierung der Antikörper-Antwort auf den Impfstoff.

Impfstoffzulassung „geht nicht in ein paar Wochen“

Derzeit wird der Impfstoff für die klinische Phase I von der Firma IDT Biologika in Dessau hergestellt. Die Produktion wird voraussichtlich in drei Monaten abgeschlossen sein, sodass die klinischen Tests im September starten können. Obwohl die Entwicklung im Vergleich zu früheren Verfahren sehr viel schneller läuft, wird in diesem Jahr noch kein Impfstoff zur Verfügung stehen. „Die Entwicklung eines Impfstoffs ist ein langwieriger, mühsamer Prozess, vor allem die klinische Prüfung für die Zulassung eines Kandidaten. Das geht nicht in ein paar Wochen“, betont Becker.

Der nun für die klinische Phase I anstehende Impfstoffkandidat wurde unter der Leitung von Professor Gerd Sutter, Inhaber des Lehrstuhls für Virologie am Institut für Infektionsmedizin und Zoonosen der LMU, entwickelt. Es handelt sich dabei um einen so genannten Vektor-Impfstoff, der auf dem „Modifizierten Vacciniavirus Ankara“ (MVA) als Vektor basiert. Das Impfvirus MVA wurde bereits vor mehr als 30 Jahren an der LMU als Impfstoff gegen Pocken generiert. Die MVA-Viren sind so abgeschwächt, dass sie als harmlose Vektoren für andere Impfstoffe dienen können. „Wir haben damit eine Plattform-Technologie und können im Prinzip jede fremde genetische Information unter die Kontrolle unseres Impfvirus stellen. Es ist ein bewährtes Vektorsystem, für das eine großtechnische Produktion bereits etabliert ist. Das Basisvirus ist vollständig charakterisiert und zusammen mit gentechnisch veränderten Varianten an mittlerweile mehr als 12.000 Personen klinisch getestet worden. Wir kennen das Nebenwirkungsprofil und die Immunogenität des Basis-Impfstoffs schon sehr gut“, betont Gerd Sutter. Im DZIF wurde dieser Vektor bereits erfolgreich für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das MERS-Coronavirus verwendet, einem nahen Verwandten von SARS-CoV-2; die erste klinische Testung dieses MERS-Impfstoffes ist bereits abgeschlossen und die weitere klinische Entwicklung läuft derzeit im Rahmen einer Förderung von CEPI (Coalition for Epidemic Preparedness Innovations).

Die klinische Prüfung wird von Professor Marylyn Addo vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) geleitet werden. „Für viele Abläufe in diesem Entwicklungsprozess können die Erfahrungen aus der MVA-MERS-Studie als Blaupause dienen. Für den neuen Impfstoff hat auch die regulatorische Vorbereitung der klinischen Prüfung bereits begonnen“, sagt Addo.

Marylyn Addo hat bereits maßgeblich an der Entwicklung des Ebola- und des MERS-Impfstoffs mitgewirkt. Dabei zeigte der Impfstoff gegen das MERS-Coronavirus eine sehr gute Verträglichkeit. Die geimpften Personen entwickelten eine Immunantwort gegen das MERS-Coronavirus, das in Saudi-Arabien vorkommt und von Dromedaren auf Menschen übertragen wird.

Hintergrund: Entscheidend für die Wirkung des Impfstoffes gegen SARS-CoV-2 sind die Bestandteile des Virus, gegen die der Mensch Antikörper bilden soll. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben als geeignetes Coronavirus-Bauteil das Spike-Protein auf der Oberfläche des Virus ausgewählt. Dieses Protein ist wichtig für das Eindringen des Virus in die menschliche Zelle. Die entsprechende Gensequenz, der Bauplan dieses Proteins, wurde mit der genetischen Information des MVA-Vektors kombiniert. Das entstandene Impfvirus dringt dann bei einer Impfung in die Zellen ein und synthetisiert das Spike-Protein, das vom Immunsystem als „fremd“ erkannt wird und damit die Immunantwort stimuliert. Es werden spezifische Antikörper und T-Zellen gegen das Spike-Protein gebildet, die dann eine spätere Infektion mit dem Virus wirksam bekämpfen sollen. (Universität Marburg/LMU)

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