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LMU-Alumnus David Ranftl: Über die Fächergrenzen hinaus

25.10.2021

Für den Kunsthistoriker und LMU-Alumnus David Ranftl spiegeln Fächer die Gesellschaft ihrer Zeit wider. Mit 13 erstand er seinen ersten Fächer, 2013 waren sie Thema seiner Magisterarbeit an der LMU.

Fächer sind seine Leidenschaft: David Ranftl

Sich mit Fächern zu beschäftigen ist ungewöhnlich. Wie kam es dazu?

David Ranftl: Durch Zufall. Meine Eltern sind auch Sammler, darum haben wir oft Antiquitätenmärkte besucht. Auf einer meiner Runden habe ich mir den ersten Fächer gekauft. Einen hölzernen Tanzstundenfächer aus den Zwanzigerjahren, auf dem sich die Tanzpartner in der Art eines Poesie Albums mit süffisanten Sprüchen verewigt haben.

Mit welchen Sprüchen denn?

Zum Beispiel: „Wer nicht liebt Wein Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang!“ Die Sprüche waren zum Teil in Sütterlin geschrieben, darum wollte ich den Fächer haben. Ich war 13 und hatte gerade Sütterlin gelernt, um ein paar Schriften aus der Familie lesen zu können. Der Fächer sollte ein Übungsstück sein. Er hat nur ein paar Mark gekostet. Damals konnte man auf Flohmärkten noch richtige kleine Funde machen! Später habe ich ein antiquarisches Buch über Fächer gefunden, das war die Initialzündung. Mir fiel auf, dass Fächer eine große kunst- und kulturgeschichtliche Bedeutung haben. Ihre Geschichte reicht bis zum Anbeginn der Menschheit zurück, als man mit Wedeln Insekten vertrieb. Später wurden daraus Bildträger, die ganz verschieden ausgestaltet und dekoriert sind und unterschiedliche Funktionen erfüllen. In der Zeit der Französischen Revolution etwa hat man darauf das aktuelle politische Geschehen festgehalten. Die Fächer wurden so zu Nachrichtenübermittlern. Es gab auch Royalistenfächer, auf denen Ludwig XVI. abgebildet war. Das Porträt erschien aber nur, wenn man das Ganze gegen eine Lichtquelle hielt. Man sieht: Der Fächer war immer auch eine kokette Spielerei. Mal zeigte man Anzügliches, mal verbarg man es.

Warum war das Fächern selbst so verbreitet?

Weil die Damen geschnürt waren und in den Ballsälen Hunderte von Kerzen brannten. Fächer brachten Kühlung. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich dann eine Fächersprache, in der man nonverbal kommunizieren konnte. Versteckte Botschaften wurden ausgetauscht, es gab Spielereien zwischen den Geschlechtern. Der Fächer war ein absolutes Must Have, ohne ihn ging man nicht aus dem Haus. „Die Dame ohne Fächer ist wie ein Herr ohne Degen“, hieß es. Die Gestelle waren aus Holz, Elfenbein, Schildpatt und Perlmutt, die Blätter konnten aus Pergament, Papier oder Seide sein, die Deckstäbe hat man teilweise mit Edelsteinen besetzt und mit Gold versehen. Mythologische und biblische Darstellungen schmückten die Fächer. Schäferspiele im Freien waren ebenfalls ein beherrschendes Fächerthema. Jede Stilentwicklung der Kunst spiegelte sich sofort im Fächer wider. Das 18. Jahrhundert gilt als seine große Blütezeit, im 19. Jahrhundert wurde der Fächer durch die neuen Vervielfältigungsmethoden wie Lithographie massentauglich.

Heutzutage kennt man den Fächer praktisch nur noch in der Plastikvariante für Touristen.

Ja, als Wegwerfprodukt, aber auch als Werbeträger. In der Haute Couture gibt es ihn allerdings noch. Und in Spanien oder Paris stellen Fächermacher Fächer her, die mehrere Tausend Euro kosten können.

Bedauern Sie, dass der Fächer – ähnlich dem Hut – weitgehend von der Bildfläche verschwunden ist?

Das ist so mit Dingen, die eine gewisse Eleganz besitzen: Vielen Leuten sind sie zu unpraktisch.

Ihnen nicht?

Ich lege sehr viel Wert auf die Qualität von Dingen und achte darauf, wie sie handwerklich hergestellt wurden. Gerne trage ich ein Einstecktuch, eine Krawatte, Reversnadeln, Manschettenknöpfe oder eine Blume im Knopfl och. Man kann ja durchaus auch als Mann ein bisschen Schmuck tragen. Auch in Coronazeiten habe ich mich hin und wieder aufgerafft und ein Sakko übergestreift.


Einen Fächer benutzen Sie auch?

Äußerst selten. Aber wenn ich einen Smoking trage, habe ich durchaus mal einen ganz einfachen Holzfächer mit schwarzer Stoffbespannung im Hemdsärmel, den man einer Dame angedeihen lassen kann, wenn sie ihn braucht.

Und wie reagieren die Damen?

Positiv überrascht.

Wann finden Sie einen Fächer besonders faszinierend? Wenn er künstlerisch hochwertig ist und eine interessante Geschichte hat, die sich entschlüsseln lässt. Für einen Kunsthistoriker wie mich ist das ein sehr schönes Recherchefeld, zumal es ja meine Passion ist.

Sie sammeln auch Fächer. Was macht einen Sammler aus?

Der Sammler hat Freude daran, sich mit schönen Dingen zu umgeben, er hat ein bestimmtes Auge. Aber jeder Sammler ist individuell und keine Sammlung wie die andere. Man sieht, ob mit Kennerblick gesammelt wurde. Oder ob einer nur zusammengerafft hat, was finanziell möglich war. Auch eine solche Sammlung kann aber durchaus interessant sein.

Was spiegelt Ihre Sammlung wider?

Meine Intention war, die ganze Entwicklung des Fächers zu zeigen. Aber irgendwann habe ich mir gesagt: Ich muss nicht alles haben.

Man unterscheidet Sammler und Jäger, aber eigentlich steckt in jedem Sammler auch ein Jäger, oder?

Absolut!

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Welche Momente sind beim Sammeln besonders beglückend?

Wenn man irgendwo auf Reisen ein kleines Geschäft betritt, sich ein bisschen umschaut und ganz hinten in der Ecke in einer Kiste einen Fächer findet, der vielleicht sogar etwas Besonderes hat, und man sich dann auch noch handelseinig wird! Oder wenn etwas ganz unerwartet in einem Auktionskatalog auftaucht. Oder man sich plötzlich etwas leisten kann, das zuvor die finanziellen Möglichkeiten überstieg: Das sind die großen Glücksmomente.

Wie viele Fächer haben Sie denn schon erstanden?

So viele, dass ich jeden Tag des Jahres einen anderen benutzen könnte.

Werden Sie weitersammeln?

Bestimmt. Zumal es einen gewissen Suchtfaktor hat. Bei manchen verstärkt er sich, bei manchen flaut er ab oder wird von einem anderen Sammelgebiet überlagert. Ich sammele weiter.

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