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Podcasts an der LMU: Infotainment für die Ohren

25.10.2021

Podcasts haben im Zuge der Pandemie neue Fans gefunden. Auch an der LMU gibt es immer mehr Casts. Sie sollen Wissen vermitteln, Service bieten – und nicht zuletzt: unterhalten.

Die Ermordung der russischen Zarenfamilie durch die Bolschewiki, der Revolutionärin Rosa Luxemburg durch rechtsgerichtete Freikorps oder der versuchte Mordanschlag auf Papst Johannes Paul II durch Ali Agca – True Crime im historischen Kontext ist Thema des Podcasts „Tatort Geschichte“. Konzipiert und realisiert von Dr. Hannes Liebrandt und Niklas Fischer aus dem Bereich Didaktik der Geschichte und Public History am Historischen Seminar, spürt er seit April 2021 den historischen Verbrechen der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte nach, schildert die Tat, ordnet sie in den historischen Kontext ein und beleuchtet die Folgen für Täter, Opfer und die Zeitläufe. Dabei, so die Macher, sollen nicht nur historische Fakten vermittelt werden, sondern der Cast soll auch unterhalten. „Historiker sind Geschichtenerzähler und das ist, was wir mit ‚Tatort Geschichte‘ wollen – eben Geschichten erzählen“, sagt Hannes Liebrandt. Aber dieses – das betonen beide Podcaster explizit – auf keinen Fall auf Kosten der wissenschaftlichen Qualität. „Natürlich müssen wir formatbedingt reduzieren, dennoch wollen wir quellen- und faktenbasiert arbeiten. Quellen sind das wichtigste Arbeitsmittel von Historikerinnen und Historikern“, sagt Fischer.

Das Format komme gut an. „Obwohl unser Podcast noch relativ jung ist, haben wir zahlreiche überwiegend positive Rückmeldungen von Hörerinnen und Hörern.“ So habe etwa die Sendung über den als „Schlächter von Lyon“ bekannten Klaus Barbie dem Biografen dieses NS-Verbrechers sehr gut gefallen. „Wir bekommen natürlich auch Kritik und gute Verbesserungsvorschläge, die wir versuchen, so weit wie möglich, umzusetzen“, betonen Fischer und Liebrandt. „An unseren Stimmen können wir beispielsweise nur bedingt arbeiten“, sagen beide mit einem Schmunzeln.

Auf das Format des Podcast gekommen sind die beiden Historiker durch die Corona-Pandemie: „Die universitäre Lehre wurde weitgehende digitalisiert und wir haben uns entschlossen, einen Kurs als Podcast anzubieten“, erinnert sich Niklas Fischer. Das Feedback der Studierenden sei so positiv gewesen, dass sich die beiden einig waren, das Format weiterzuführen, wenngleich thematisch anders ausgerichtet.


Hannes Liebrandt und Niklas Fischer führen durch den Podcast „Tatort Geschichte“

Hören für die Klausur

Corona hat Podcasts in der deutschen Audiolandschaft einen deutlichen Schub gegeben. Das ist auch das Ergebnis einer im Coronajahr 2020 vom Digitalverband Bitkom e.V. in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage. Demnach hören mittlerweile 33 Prozent der Deutschen regelmäßig Podcasts – ein Zuwachs von fast zehn Prozent im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie. Themenhighlights: die Pandemie selbst, gefolgt von News, Comedy und Bildungsformaten.

Natürlich spielt bei dem Anstieg auch die Verlagerung früherer Präsenzereignisse in die Online-Welt eine Rolle: Im Unileben ist das Stichwort natürlich die digitale Lehre und damit verbunden die Frage, wie sich traditionelle Veranstaltungsformate digital am besten abbilden lassen.

Diana Rieger hat eine Lösung gefunden. Sie bietet die übliche Fragerunde bei ihrer Vorlesung „Einführung in die Kommunikationswissenschaft“ flankierend als Podcast an. „Ich will den Studierenden einen Mehrwert bieten“, sagt die Professorin für Kommunikationswissenschaft der LMU. Zusammen mit ihrer studentischen Hilfskraft Larissa Ruf sammelt sie die Fragen der Studierenden aus der Vorlesung, Larissa liest sie vor, die Professorin antwortet, das Mikrofon läuft mit. „Wir versuchen, das Ganze möglichst launig rüberzubringen“, sagt Rieger – was nicht schwer sei, da beide sehr spontan seien und die ein oder andere witzige Einlage brächten. Rieger und Ruf haben kein regelrechtes Skript, Diana Rieger hat aber Stichworte für ihre Antworten, damit sie die möglichst prägnant und umfassend geben kann. „Der Vorteil beim Podcast im Vergleich zur Vorlesung ist, dass er zeitversetzt veröffentlicht wird und ich die Antworten gut vorbereiten, Dinge auch nochmal nachrecherchieren kann. Das ist in der Präsenzvorlesung ad hoc nicht so ohne Weiteres möglich“, erläutert die Kommunikationswissenschaftlerin. Vice versa bei ihren Hörerinnen und Hörern: Man könne seine Fragen viel besser entwickeln, als es bei dem eher situativen Setting einer Präsenzvorlesung möglich sei, sagt Paula Hofmann, die im dritten Semester Kommunikationswissenschaft studiert und alle Folgen des Podcasts zur Vorbereitung auf die anschließende Klausur gehört hat. „Der Podcast ermöglicht eine intensive Auseinandersetzung mit den Folien, die für die Prüfung relevant sind“, sagt Hofmann. Nicht zuletzt habe es ihr auch Spaß gemacht zuzuhören, „weil er so locker und kurzweilig aufbereitet ist“. Sie weiß, wovon sie redet, hat sie schließlich selbst schon einen Podcast im Bereich Nachhaltigkeit für CommunityKlima e.V. mitproduziert.

Auf jeden Fall war das Format ein großer Erfolg, weshalb sich Diana Rieger durchaus vorstellen kann, auch in Post-Coronazeiten mit Präsenzlehre weiterhin einen Fragepodcast anzubieten, wenngleich „ich lieber die Studierenden als Person vor mir sehe und ihnen persönlich Antworten auf ihre Fragen geben kann“. Ein weiterer Vorteil sei, so Rieger, dass man für den Podcast auch mal den heimischen Schreibtisch verlassen und ihn beim Spazieren oder Laufen hören kann. „Es ist ja gut, wenn man im Lockdown auch mal raus kann. Es ist ein sehr mobiles Kommunikationsformat.“

Der Ton macht den Podcast

Spannende Themen, gut aufbereitet, interessante Gesprächspartner und gute Headlines sind wichtig, um mit dem eigenen Podcast eine gewisse Reichweite zu erzielen. Dabei raten Experten, etwa komplexe Themen lieber in einer Serie anzubieten, als einen langen Mammut-Podcast auf die Hörerinnen und Hörer loszulassen – 20 bis maximal 40 Minuten sollte eine Sendung dauern, wobei es natürlich auch vom Thema abhängt, wie lange man zuhören kann und möchte.


Obwohl Podcasts ohne großen Aufwand zu produzieren sind, ist eine technische Minimalausstattung unabdingbar, denn ein guter Sound entscheidet in erheblichem Maß, ob Hörerinnen oder Hörer bei der Stange bleiben. „Die Tonqualität war anfangs einer der wichtigsten Kritikpunkte bei meinem Podcast“, erzählt Professorin Diana Rieger. „Ich hatte zunächst nur ein handelsübliches Headset benutzt, habe dann aber mit einem richtigen Radiomikrofon nachgerüstet, was die Qualität deutlich verbessert hat.“ Tatsächlich helfen gute Mikrofone und ein sogenannter Micscreen, um Raumhall und Nebengeräusche rauszufiltern, sowie eine zuverlässige Podcast-Software für die Aufnahme und Postproduktion dabei, den Hörern ein gutes Klangbild zu bieten – auch ohne über ein perfekt ausgestattetes Studio zu verfügen.

Diesen Luxus haben Hannes Liebrandt und Niklas Fischer, denn sie konnten sich für die Realisierung ihres Crime-Podcasts sowohl die Unterstützung der Georg-von-Vollmar-Akademie, einer Bildungseinrichtung in Kochel am See, sichern als auch des Bayerischen Rundfunks, der den „Tatort Geschichte“ redaktionell und auch technisch unterstützt. Technik und Themen sind zweifellos wichtig. Dennoch raten die beiden Profis ambitionierten Podcasterinnen und -castern in spe, vorab vor allem eine gewisse Marktsondierung zu betreiben. „Man sollte sich im Klaren sein, welches die Zielgruppe ist“, sagt Hannes Liebrandt, „und schauen, wo es thematische Lücken in der Online-Landschaft gibt. Natürlich muss einen dann auch das Thema interessieren.“ Um einen „Laber-Podcast“ zu vermeiden, empfehlen die beiden Historiker die Arbeit mit Skript und einer durchdachten Struktur, ohne freilich das „Storytelling“ aus dem Blick zu verlieren.

Was ist Osteuropa?

Für Martha Schmidt, Maximilian Fixl und Georgiy Konovaltsev sind spannende und möglichst wenig bekannte Geschichten sehr wichtig. Der Schwerpunkt ihres Ostcasts – Osteuropa – bietet einen so reichlich ausgestatteten Themenpool, dass die drei wahrscheinlich für die nächsten Jahrzehnte genügend Stoff für ihre Sendungen haben. Aber was ist Osteuropa eigentlich? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Schließlich wurde Russland noch bis ins 19. Jahrhundert hinein zu Nordeuropa gezählt, und Österreich gehört nicht dazu, obwohl die Hauptstadt Wien weiter östlich liegt als Prag, die Hauptstadt der Tschechischen Republik. Gleich die erste Ausgabe des Ostcasts geht folgerichtig dieser Frage nach – schließlich muss man den Untersuchungsgegenstand zunächst definieren. Die drei Studierenden versuchen dies, indem sie mit Dr. Darina Volf als Gesprächspartnerin eine Ost- und Südosteuropaexpertin der LMU hinzuzogen. Martha Schmidt, die Osteuropastudien mit dem Schwerpunktfach Politikwissenschaft studiert, sagt, es sei gerade zum Start des Podcasts von Vorteil gewesen, auf die Inhouse-Expertise zurückzugreifen; zukünftig planen Schmidt, Fixl und Konovaltsev aber, ihren Expertenpool auch über die LMU hinaus auszuweiten. Wichtig sind also Gesprächspartnerinnen und -partner, ein wichtiges Strukturmerkmal des Ostcasts. „Wir haben immer einen Leitfaden für einen Cast, den wir vorab unseren Gesprächspartnern zuschicken“, sagt Georgiy Konovaltsev, der Osteuropastudien mit dem Schwerpunkt Geschichte studiert und die technische Seite des Ostcasts betreut.


Die „Ostcaster“: Maximilian Fixl, Martha Schmidt und Georgiy Konovaltsev

Die aktuelle Ausgabe der MUM liegt jetzt an der Uni aus.

Die Besonderheit ihres Podcasts ist, dass die Themen dabei aus einer fachübergreifenden Perspektive in den Blick genommen werden: von den Geschichts-, über die Politik- und die Kulturwissenschaften. Ob eine Sendung zum zeitgenössischen russischen Film, zum Tourismus in Osteuropa oder zum Holodomor, der großen und bis heute kontrovers diskutierten Hungersnot in der sowjetischen Ukraine Anfang der 1930er-Jahre – die Themen sind so vielfältig wie spannend – und, das ist ein weiterer Aspekt, weitgehend unbekannt. „Das Neue und die interdisziplinäre Herangehensweise sind uns ganz wichtig und vor allem wollen wir die Themen so erklären, dass sie nicht nur für Wissenschaftler verständlich sind“, ergänzt Georgiy Konovaltsev. „Man muss natürlich bei der Konzeption einer Sendung beachten, dass man nicht irgendwelche Klischees bedient und immer auf dem Boden der Wissenschaft bleibt. Da achten wir sehr drauf“, fügt Maximilian Fixl hinzu, der sich mittlerweile im Promotionsstudium befindet.

Was bedeutet es für die Zukunft des Ostcasts, wenn die drei die Universität irgendwann verlassen, wenn Studium und Promotion beendet sind? „Man muss sich ja nicht am selben Ort befinden, wenn man einen Podcast macht“, sagt Fixl. Schon während des Lockdowns durften sich nurmehr zwei Haushalte treffen, sodass die Sendungen nicht an einem Ort mitgeschnitten werden konnten. Sie haben also schon Erfahrung mit der Remoteproduktion und wollen ihren Ostcast auf jeden Fall weiterführen – auch über das Studium hinaus. Es ist eben ein in jeder Hinsicht sehr mobiles Format.

Der Text ist der aktuellen Ausgabe der MUM, dem MünchnerUni Magazin entnommen.

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Mehr über die LMU und die Menschen, die hier studieren und arbeiten, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des MünchnerUni Magazins:

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