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„Vielfalt ist Motor für Exzellenz”

15.03.2021

Ein Interview mit Francesca Biagini, Vizepräsidentin für den Bereich Internationales und Diversity an der LMU.

Francesca Biagini, Vizepräsidentin für den Bereich Internationales und Diversity an der LMU

Francesca Biagini, Vizepräsidentin für den Bereich Internationales und Diversity an der LMU | © LMU

Frau Biagini, an deutschen Universitäten geht der Frauenanteil ab der Postdoc-Ebene deutlich zurück, bei den Professorinnen liegt er nur noch bei rund 20 Prozent. Woran liegt das?

Francesca Biagini: In Deutschland sieht eine akademische Karriere häufige Standortwechsel vor. Die dafür erforderliche Flexibilität war bisher insbesondere für Frauen mit Familienverantwortung schwierig zu managen und eine große Hürde. Auch fragen sich Frauen wohl häufiger als Männer, ob sie gut genug für die akademische Karriere sind und ob sich der Weg dahin mit der Familie vereinbaren lässt. Deswegen müssen Universitäten mehr Anreize und Unterstützung für Frauen und Familien bieten.

Wieso sollte es mehr Frauen im MINT-Bereich geben – abseits von den Wünschen der Industrie?

Frauen bringen eine andere Sensibilität und einen anderen Fokus auf viele Themen mit. Diversität bedeutet immer eine Bereicherung von Ansichten. Vielfalt ist Motor für Exzellenz. Mir persönlich geht es aber nicht nur um Männer oder Frauen, sondern generell um die Frage, wie wir Wissenschaft exzellent machen können. Wichtig ist daher, dass wir, aber auch andere Institutionen zeigen: Es gibt viele Frauen im MINT-Bereich. Und Medien sollten verstärkt berichten, wie diese es geschafft haben.

Sehen Sie sich mit Ihrer mathematischen Karriere auch als Role Model für andere Frauen?

Obwohl ich in verschiedenen Phasen meines akademischen Werdegangs entweder die einzige oder eine der wenigen Frauen zwischen den Kollegen war und bin, zum Beispiel während meines Studiums an der Scuola Normale Superiore di Pisa oder als Professorin am Mathematischen Institut der LMU, hatte ich nie das Gefühl, dass ich quasi „allein” unter Männern war. Im Beruf ist für mich die fachliche Kompetenz ausschlaggebend. Aber ich freue mich natürlich, wenn ich jüngere Personen inspirieren kann. Ich habe mich unter anderem viele Jahre an der LMU als Mentorin im Rahmen des LMUMentoring Programms engagiert, um dem Nachwuchs auf dem Weg der wissenschaftlichen Karriere zu helfen.

Wieso wollten Sie Mathematikerin werden? Und sind Sie in Ihrer Karriere auch auf Widerstände gestoßen?

Mit zehn Jahren wusste ich, dass ich Mathematikerin werden will. Ich fand Mathematik faszinierend und wollte mich mit der Herausforderung auseinandersetzen. In meiner Karriere bin ich nie wirklich auf Vorurteile gestoßen. Es gab immer wieder mal unfreundliche Zeitgenossen, aber generell wurde ich immer wie alle anderen behandelt. Ich muss aber zugeben, dass ich hart im Nehmen bin! (lacht)

Über alle Fächer hinweg hatte sich die LMU zum Ziel gesetzt, jede vierte Professorenstelle mit einer Frau zu besetzen. Das ist jetzt gelungen. Wie?

Durch viele verschiedene Maßnahmen, um die Stellen für Frauen attraktiver zu machen. Zum Beispiel durch den Familienservice für LMU-Beschäftigte, spezielle finanzielle Anreize zur Förderung von Gleichstellung oder durch das Programm LMU Gateway, das internationalen Akademikerinnen und Akademikern und ihren Familien unter anderem bei der Wohnungssuche in München hilft. Zusätzlich wurden im Rahmen der Exzellenzinitiative, die auch wissenschaftliche Karrieren unterstützt, spezielle Angebote geschaffen, um mögliche Hindernisse abzubauen. Generell geht es darum, die Lebensumstände aller Menschen zu berücksichtigen und sie bestmöglich zu unterstützen.

Welchen Rat geben Sie jungen Menschen, die wegen ihrer Karriereziele von Eltern, Lehrkräften oder Dozierenden belächelt werden?

Jeder sollte seinen Ambitionen folgen und sich unabhängig von jedmöglichen Vorurteilen oder Erwartungen voll entfalten können. Natürlich muss man im Leben Kompromisse eingehen und teilweise große Herausforderungen meistern. Aber hart arbeiten, zielstrebig sein und bei Problemen auch Hilfe annehmen, lohnt sich. Ich sage Studierenden immer: „Find something you love and do it.”

Die LMU-Community zeichnet sich durch Vielfalt in Forschung, Lehre und Studium sowie der Verwaltung aus.
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Zur Person

Francesca Biagini ist Vizepräsidentin für den Bereich Internationales und Diversity an der LMU. Die Finanzmathematikerin hat seit 2009 den Lehrstuhl für Angewandte Mathematik inne.

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