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Am Bestimmungsort: LMU-Biologin Gudrun Kadereit im Porträt

22.07.2021

Gudrun Kadereit, neuberufen an der LMU, forscht über Systematik und Evolution von Pflanzen.

Porträtfoto der LMU-Professorin Gudrun Kadereit in einem der Gewächshäuser des Botanischen Gartens in München.

Neuberufen an der LMU: Professorin Gudrun Kadereit | © LMU

„Das ist eine Traumstelle für jemanden wie mich, die sich mit Systematik und Evolution beschäftigt“, sagt Gudrun Kadereit, seit Januar 2021 Inhaberin des Prinzessin Therese von Bayern-Lehrstuhls für Systematik, Biodiversität und Evolution der Pflanzen der LMU und zugleich Direktorin der Botanischen Staatssammlung und des Botanischen Gartens in München. Die Biologin kommt ins Schwärmen, wenn sie über ihren neuen Arbeitsort spricht. „Im Botanischen Garten werden 20.000 Pflanzenarten kultiviert und der Garten birgt so viel mehr Biodiversität, als wir wissen, da es ihn schon seit mehr als 100 Jahren gibt. Ich bin mir sicher, dass wir da noch Überraschungen erleben werden, wenn wir die Arten nach und nach erfassen.“

Gudrun Kadereit forscht über die Evolution von komplexen Merkmalen bei Pflanzen, zum Beispiel die sogenannte C4-Photosynthese, einer besonderen Form von Photosynthese, die vor allem von Pflanzen an trockenen Standorten betrieben wird. „Die C4-Photosynthese ist physiologisch und auch genregulatorisch sehr komplex. Ich möchte verstehen, wie so komplexe Merkmale im Laufe der Evolution entstehen können. Aber gleichzeitig bin ich auch immer Systematikerin geblieben und untersuche die Verwandtschaftsbeziehungen in verschiedenen Pflanzengruppen.“

Forschen über Pflanzen als Überlebenskünstler

Die neuberufene LMU-Professorin kommt aus Niedersachsen und hat ihr Grundstudium in Osnabrück absolviert. Nach einem halben Jahr in Schottland wechselte sie für das Hauptstudium an die Universität in Göttingen. Ihre Diplomarbeit führte sie dann in die Ferne, nach Brasilien. „Das war zur damaligen Zeit eher ungewöhnlich“, sagt Gudrun Kadereit rückblickend. Sie hat Daten gesammelt zur Wald-Feld-Wechselwirtschaft, wie sie dort von den Bauern betrieben wird, um zu untersuchen, was nach dem Ende der Bewirtschaftung auf den Feldern wächst: Kommt der Wald wieder oder wächst die Fläche mit Gras zu? „Das hat mich ungemein gefesselt. Die Herausforderung war damals, die Pflanzen zu bestimmen. Das ist in Mitteleuropa leicht. Da setzt man den Bestimmungsschlüssel oder mittlerweile die Bestimmungs-App ein. Das ist in den Tropen natürlich nicht der Fall. Da bin ich mit lokalen Botanikern rausgegangen und habe gelernt, die Pflanzen zu erkennen. Das fand ich sehr reizvoll.“

Diese Erfahrung hat Gudrun Kadereit zu ihrem Promotionsthema geführt: eine Arbeit über eine große tropische Pflanzenfamilie, die Schwarzmundgewächse oder Melastomataceae, über die sie an der Universität Mainz (unter Anleitung von Susanne Renner, ihrer Vorgängerin in München) systematisch gearbeitet hat. Ihr Habilitationsthema galt der Systematik und Evolution der Familie der Gänsefußgewächse, den Chenopodiaceae, die Überlebenskünstler in Wüsten und an durch Salz beeinflussten Standorten sind und dort komplexe Anpassungen wie zum Beispiel die C4 Photosynthese evolviert haben. „Da bin ich auch dabeigeblieben.“

Viele Anknüpfungspunkte an der LMU

Zu ihren Kolleginnen und Kollegen an der Fakultät für Biologie gibt es in ihrer Forschung viele Anknüpfungspunkte. „Meine Forschung stellt eine Schnittstelle dar, was Biodiversität betrifft einerseits und interessante Merkmale wie Photosynthese-Evolution oder Stresstoleranz andererseits. Ich identifiziere interessante Systeme, zum Beispiel Schwesterarten, die sich erheblich in ihrem Photosynthese-Weg unterscheiden. Wenn man sie miteinander vergleicht, kann man sehr in die Tiefe gehen. Da sind Physiologie, Molekularbiologie und Genetik gefragt.“ Die Biologin freut sich nach den langen Monaten der Pandemie und vielen Zoom-Konferenzen auf das persönliche Kennenlernen.

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Neue Informationen aus alten Sammlungen gewinnen

Für den Botanischen Garten, der „wirklich sehr gut aufgestellt“ ist, hat Gudrun Kadereit viele Pläne. „Mein Wunsch ist es, den Garten in die Lehre einzubinden. Dabei stelle ich mir einen Mix aus Arbeiten im Labor, im Gewächshaus und am PC vor, Bioinformatik spielt zum Beispiel bei der Stammbaumberechnung auch eine große Rolle. Es ist also eine Mischung aus unterschiedlichen Skills, die Studierende hier lernen: angefangen beim Organismus, wie und wo er wächst, bis hin zur bioinformatischen Auswertung und Position im Stammbaum der Pflanzen.“

Aber auch die öffentliche Bildung und Wissenschaftskommunikation möchte sie weiter stärken. „Idealerweise führen wir ein Forschungsprojekt durch und kommunizieren es im Botanischen Garten der Öffentlichkeit, das können dann auch die Studierenden machen.“

Eine große Rolle in Forschung und Lehre spielt für Gudrun Kadereit auch die Botanische Staatssammlung München, die etwa 3,3 Millionen Belege umfasst und das drittgrößte Herbarium in Deutschland ist. „Es wird mehr und mehr erkannt, was man in der Forschung mit solchen Sammlungen machen kann. Ganz abgesehen von DNA-Extraktionen, die zunehmend besser auch mit alten Herbarbelegen gelingen, kann man mit moderner Technologie und Digitalisierung zahlreiche neue Informationen aus alten Sammlungen ziehen. Das ist natürlich auch ein Schatz, den man heben muss.“

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