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Barrierefreiheit: „Eine frische Perspektive!“

26.03.2024

Ein Engagement, von dem alle Seiten profitieren: Im April 2024 beginnt die nächste Ausbildung für Inklusionstutorinnen und -tutoren.

Nini Sturm

LMU-Studentin Nini Sturm

berät Ehrenamtliche bei Inklusionsschulungen. | © LMU

Zu eng, zu dunkel, zu laut und kompliziert: Wer nicht gut sieht oder hört, hat es im Uni-Alltag nicht leicht. Auch ADHS, Autismus oder Depressionen können das Studium erschweren. Gerade zu Beginn sind viele Fragen offen: Wie finde ich den Seminarraum? Passt der Rollstuhl in den Lift? Was tun, um einen angemessenen Nachteilsausgleich zu bekommen? Die Inklusionstutorinnen und -tutoren der LMU unterstützen bei solchen Fragen. Sie sind dazu ausgebildet, Studierenden mit Einschränkungen zu helfen – und profitieren nicht zuletzt selbst von ihrem Engagement.

Am Anfang ihres Studiums brauchte Nini Sturm besonders viel Unterstützung. Denn die Studentin hat das Usher-Syndrom. Sie sieht und hört schlecht. Die Gänge des Hauptgebäudes der LMU sind für sie viel zu dunkel. Unmöglich, sich in dieser Finsternis zurechtzufinden. Darum begleitete eine Freundin sie durchs Haus, Nini Sturm zählte Lampen und Treppenstufen. „Ich musste lernen, mich zurechtzufinden“, sagt sie.

Inzwischen steckt sie mitten in ihrem Masterstudium und unterstützt andere dabei, sich zu orientieren. Als Expertin erklärt sie Studierenden, die sich zu Inklusionstutorinnen und -tutoren ausbilden lassen, wie es ist, mit Einschränkungen zu leben. Sie erzählt nicht nur, wie die künftigen Inklusionstutoren helfen können. Sondern auch, wie es sich anfühlt, einen Gang entlangzulaufen – und kaum etwas zu sehen.

Selbsterfahrung erwünscht

Clara Oberste-Wilms

Inklusionstutorin Clara Oberste-Wilms

„Als Medizinerin profitiert man enorm von der Ausbildung.“ | © privat

Bis zu vierzig Inklusionstutorinnen und -tutoren fast aller Fakultäten sind gerade an der LMU aktiv. In ihrer dreiwöchigen Ausbildung haben sie eine Menge gelernt. Etwa, dass es gar nicht so einfach ist, im Rollstuhl zum Seminarraum zu gelangen. Mal wird ein Bordstein zum Problem, mal eine Ecke. Und wenn die Rampe zu steil ist, muss eine andere Route gefunden werden.

In einem interaktiven Moodlekurs setzen die künftigen Inklusionstutoren eine Spezialbrille auf, um die Erfahrung zu machen, weniger zu sehen. Sie stecken sich Stöpsel in die Ohren, die das Hören erschweren, und spielen beim Auswendiglernen mit Wäscheklammern herum, um ihre Konzentrationsfähigkeit zu schwächen.

Beeindruckend fand die Medizinstudentin Clara Oberste-Wilms, wie unterschiedlich die Herausforderungen sind, vor denen Studierende mit Beeinträchtigungen stehen: „Gerade als Medizinerin profitiert man enorm von der Ausbildung. Im Beruf treffen wir ja vermehrt auf Menschen mit Beeinträchtigungen. Das Gelernte kann man universell anwenden und so die Patienten besser unterstützen. Ich finde super, da schon während des Studiums reinzuwachsen.“

Wichtiges Basiswissen

Inklusionstutorin Chrysa Bika

Chrysa Bika

beschäftigt sich mit digitaler Inklusion. | © LMU/Muhammad Muneeb Saleem

Auch die Informatikerin Chrysa Bika ist von der Ausbildung begeistert: „Ich habe sehr viel gelernt, was mir vorher nicht bewusst war“, sagt die Masterstudentin. Seit ihrer Bachelorarbeit beschäftigt sie sich mit dem Thema digitale Inklusion – was sie dazu inspirierte, die Ausbildung zur Inklusionstutorin zu machen. „Es ist wichtig, ein Basiswissen zu haben und für diese Themen sensibilisiert zu werden.“ Besonders interessant war für sie, Studierenden mit Beeinträchtigungen zuzuhören. Und so zu erfahren, was sich Betroffene an Unterstützung wünschen. „Das war eine ganz frische Perspektive!“, sagt sie.

Nach den drei Wochen Ausbildung zur Inklusionstutorin hat sie zusammen mit anderen Teilnehmenden einen Instagram-Account gegründet, um das Ehrenamt bekannter zu machen. Sie hat einen Abiturienten beraten, der fürchtete, wegen seiner Depressionen im Studium zu viel zu verpassen. Besonders froh ist sie darüber, dass sie einem Studenten zu einem Nachteilsausgleich verhelfen konnte – einfach, indem sie in einem Gespräch mit seiner Schwester von dieser Möglichkeit erzählte.

Ein Ruhepol im stressigen Alltag

Bis 8. April 2024 zur kostenfreien Schulung anmelden!

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„Wir bilden jedes Jahr Leute aus, die Feuer und Flamme für das Thema sind!“, sagt Loreen Böckeler, studentische Hilfskraft bei der Beratungsstelle für Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung der Zentralen Studienberatung und selbst Inklusionstutorin. Seit sechs Jahren bietet die LMU die Ausbildung zu Inklusionstutoren an. Die Anfragen der Betroffenen sind unterschiedlich: Mal wird eine Campuseinführung benötigt. Mal eine Begleitung zu Gesprächen mit Dozierenden. Formulare müssen ausgefüllt, Studienpläne entwickelt werden. Studierenden mit ADHS helfen die Tutorinnen, und Tutoren, einen Tagesablauf zu erarbeiten. So seien sie ein „Ruhepol“ im stressigen Unialltag, sagt Loreen Böckeler.

Die Medizinstudentin Clara Oberste-Wilms hofft, „als Inklusionstutorin anderen Studierenden den Unialltag ein bisschen zu erleichtern.“ Zeit dafür hat sie trotz ihres anstrengenden Studiums genug. Denn das Ehrenamt ist nicht besonders aufwendig. Auch mit einem kurzen Gespräch kann man oft eine Menge erreichen. Und, so Clara Oberste-Wilms: „Man muss einfach gut planen, dann findet man immer Zeit.“

Studentin im Audimax

Auch in diesem Sommersemester werden wieder Inklusionstutorinnen und -tutoren ausgebildet.

Ein erstes Treffen findet am 11. April statt, in den zwei darauffolgenden Wochen kann der Moodlekurs zu Hause durchgeführt werden. Ein Workshoptag mit Podiumsdiskussion und ein Erfahrungsaustausch sind Ende April geplant. Die Zertifikate werden im Dezember vergeben, nach einem Follow-up im Herbst.

© LMU

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