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Division mit digitaler Schokolade

13.02.2023

Neu an der LMU, erforscht Professorin Sarah Hofer Methoden für individuelles Lehren und Lernen.

Sarah Hofer, Professorin für Lehr-Lernforschung am Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie der LMU

Professorin Sarah Hofer | © Astrid Eckert

Eine Schokoladentafel, von deren acht Rippen eine fehlt – manchen Kindern hilft dieses Bild, den Bruch 7/8 besser zu verstehen. Professorin Sarah Hofer integriert es deshalb in digitale Lernumgebungen. „Gerade Kinder mit weniger starken visuell-räumlichen Fähigkeiten scheinen von Illustrationen wie geteilter Schokolade, Pizza oder Kuchen zu profitieren“, erklärt die Lernspezialistin. „Andere dagegen brauchen sie nicht und empfinden sie sogar als störend.“ Ein Lernkonzept eigne sich eben nicht für alle.

Seit April 2022 hat Sarah Hofer die Professur für Lehr-Lernforschung an der LMU inne. Aus dem Chiemgau stammend, studierte Hofer an der LMU Psychologie und promovierte sich an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) zum Thema The interplay between gender, underachievement, and conceptual instruction in physics. Als Postdoktorandin wirkte sie zunächst an der ETH und später an der Technischen Universität München, wo sie unter anderem im Bereich Mathematikdidaktik arbeitete und dem PISA-Forschungsteam angehörte.

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Von 2019 bis 2020 hatte Sarah Hofer an der LMU bereits eine Vertretungsprofessur inne, bevor sie 2020 an die Universität der Bundeswehr München wechselte und sich vermehrt mit digitalen Technologien in Mathe- und Physiklernumgebungen befasste. 2021 ging sie als Assistenzprofessorin für „Learning and Technology“ an die ETH. „Es waren viele Wechsel in kurzer Zeit”, sagt Hofer rückblickend. „Aber die Arbeit in den ganz unterschiedlichen Forschungsgruppen war sehr lehrreich.“

Hofers Forschungsschwerpunkt liegt auf der Frage, wie das Lehren und Lernen insbesondere an Schulen und im MINT-Bereich besser und individueller gestaltet werden kann. Mit Experimenten und Interventionsstudien untersucht sie, wie Intelligenz, Vorwissen, Geschlecht, familiärer Hintergrund, Motivation und andere individuelle Merkmale mit Lehr-Lernprozessen zusammenhängen.

So befasste sie sich mit dem Einfluss des Geschlechts auf Bewertungsprozesse von Lehrenden oder, basierend auf Daten der PISA-Studie, mit dem Einfluss des sozio-ökonomischen Status auf das Lesevermögen. „Dieses Forschungsfeld gewinnt gerade wieder an Bedeutung – auch weil digitale Technologien viele neue Möglichkeiten eröffnen.“ Intelligente Tutoring-Systeme helfen in Mathe und etwa beim Vokabelnüben in Fremdsprachen. „Und mit Virtual- oder Augmented-Reality-Brillen kann man vieles erfahrbar machen – eine Molekülstruktur etwa oder die Lorentzkraft in der Physik“, so Sarah Hofer.

„Zum einen fällt mit digitaler Unterstützung die Diagnostik leichter. In digitalen Lernumgebungen können Lehrpersonen den Fortschritt der Kinder ‚moment-to-moment‘ verfolgen und Schwachstellen erkennen.“ Zum anderen ließen sich entsprechende Rückmeldungen einspielen – individuelle Tipps oder Details in der Lernumgebung, die für eine bestimmte Gruppe von Lernenden hilfreich sind.

Kein Ersatz für die Lehrkräfte

In einem Projekt zum Bruchrechnen nutzt Hofers Team eine digitale Lernumgebung, die im Rahmen einer Kooperation des Lehrstuhls für Geometrie und Visualisierung an der Fakultät für Mathematik und dem Heinz-Nixdorf Stiftungslehrstuhl für Didaktik der Mathematik, beide TU München, entwickelt und von Hofers Team für das aktuelle Projekt angepasst wurde. Sie wird über Tablets aktiviert und bearbeitet. „Die Kinder werden darin mit verschiedenen instruktionalen Methoden unterstützt, die ihnen helfen, Brüche zu verstehen.“ Denn der Wechsel von natürlichen zu rationalen Zahlen falle vielen Kindern schwer. Der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben wird, basierend auf den bisherigen Ergebnissen der Schülerinnen und Schüler, mit adaptiven Algorithmen angepasst. Dazu wird individuelles Feedback eingespielt. „Das kann ein Prompt sein wie: Überleg noch mal, ob du hier auf den Nenner oder den Zähler achten musst.“ Dies hat sich in den ursprünglichen Studien der Arbeitsgruppen der TU München als besonders wirksam für lernschwächere Schülerinnen und Schüler erwiesen.

Eine weitere Hilfestellung ist die Animation, mit der der Bruch bei Bedarf veranschaulicht wird. „Die Kinder sehen ihn dann als eine Art Schokoriegel, der in mehrere Stücke unterteilt und dann in einen Zahlenstrahl umgewandelt wird“, so beschreibt Hofer eine der grundlegenden fachdidaktischen Ideen hinter der ursprünglichen Lernumgebung, die von ihr erneut an Mittelschulen und Gymnasien eingesetzt und weiter beforscht wird.

Gute Lehre müsse aber nicht zwangsläufig von digitaler Technologie gestützt sein. „Wichtig ist dagegen das Bewusstsein der Lehrenden, dass nicht jedes Lehrkonzept zu jedem Lernenden in jeder Situation optimal passt.“ Die digitalen Medien seien dabei nur Hilfsmittel und kein Ersatz für die Lehrerinnen und Lehrer. Denn diese müssten noch immer über den Einsatz der Hilfsmittel entscheiden und meist die gewonnenen Daten interpretieren.

„Ich denke auch nicht, dass es der Schlüssel zum Erfolg ist, alle Schulen mit Virtual-Reality-Brillen und digitalen Whiteboards aufzurüsten“, erklärt Sarah Hofer. Sinnvoller sei es, gemeinsam mit den Schulen Konzepte zu entwickeln, wann sie welche Tools sinnvoll einsetzen könnten. „Wir gehen mit unseren digital gestützten Lehr-Lern-Einheiten deshalb direkt in die Klassenzimmer, um neue Ansätze zu testen und von den Kindern und Lehrkräften zu lernen, was wie funktioniert und was nicht.“ Derzeit entwickelt das Team eine flexible Plattform, die es erlaubt, digitale Unterrichtsangebote für vielfältige Unterrichtsinhalte zusammenzustellen, anzuwenden und auszuwerten – basierend auf dem Input praktizierender Lehrkräfte.

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