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„Es geht um mehr als den Klimawandel”

29.06.2022

LMU-Jurastudierende haben den Verein „Recht und Nachhaltigkeit” gegründet.

Studierende, die sich im Verein „Recht und Nachhaltigkeit” engagieren

Das Team hinter dem Verein „Recht und Nachhaltigkeit”.

„Zu Beginn meines Jurastudiums”, erinnert sich Malena Anthofer, „waren Umweltschutz und Nachhaltigkeit eigentlich keine großen Themen im Lehrplan.” Damals war sie gerade aus Niederbayern in ihre „neue Lieblingsstadt München“ gezogen, wo sich Interesse für Natur und Kultur so schön kombinieren lassen, und wollte „schon damals die Welt irgendwie ein bisschen besser machen“. Mittlerweile ist sie 26, hat ihr Erstes Staatsexamen in der Tasche – und das mit dem Umweltschutz im Jurastudium hat sich gehörig geändert: Professorinnen und Dozenten beleuchten das Thema inzwischen aus unterschiedlichsten Perspektiven; Dissertationen behandeln etwa den Ökosystemschutz in der Verfassung Ecuadors und zu „Klima-, Umwelt- und Tierschutz im Strafrecht” gibt es ein Seminar. Und letzten Sommer haben Kommilitoninnen und Kommilitonen von Malena Anthofer den Verein „Recht und Nachhaltigkeit” ins Leben gerufen.

„Unsere Dozentinnen Malin Nischwitz, Meike Krakau und unser Dozent Martin Heidebach hatten eine Diskussion zum Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts veranstaltet“, erinnert sie sich. „Am Ende hatte meine Kommilitonin Patricia Nonnenmacher – unterstützt und bestärkt durch Clemens Hufeld – ihre Idee, eine studentische Initiative zum Thema zu gründen, vorgestellt. Hierauf folgte ein Jour Fixe, eine Fallbesprechung für Studierende zum Klimabeschluss und schließlich die konkrete Gründungsplanung.” Ziel war es, einen Beitrag zur Gestaltung der zukünftigen Rechtswelt zu leisten. Interessierte Jurastudierende fanden sich schnell, und im August konnten die Studierenden – pandemiebedingt noch online – die Gründungsversammlung für RuN e.V. abhalten.

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„Der Nachhaltigkeitsbegriff kennt viele Definitionen”, heißt es auf der Website des Vereins, dessen Kürzel „RuN“ wie das englische Wort für „rennen” ausgesprochen wird. „Für uns beschreibt Nachhaltigkeit das Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als künftig wieder bereitgestellt werden kann.” Neben der Ökologie gehörten dazu auch Aspekte des Generationendialogs und der sozialen Gerechtigkeit. „Es geht uns nicht nur um den Klimawandel“, sagt Malena Anthofer.

Bislang hat die Initiative 25 offizielle Mitglieder – aber in ihrem „Slack Channel” chatten bereits 50 angehende Juristinnen und Juristen. Die meisten studieren noch, einige promovieren. Zum Vorstand gehören, neben Patricia Nonnenmacher und Malena Anthofer, drei weitere Studierende. Mittlerweile ist man befreundet, geht schon mal gemeinsam in die Berge oder an den See. Offiziell ist Marie Hervol dabei Mit-Vorsitzende, Paula Schindler Schriftführerin und Hannes Radinger Kassenwart. Aber eigentlich machen alle alles: Malena Anthofer etwa hatte am Vormittag gerade ein Gespräch mit einer Kanzlei, die der Verein als weiteren Sponsor gewinnen will, daneben gestaltet sie die Website und plant Events.

Diskussionsrunden, Vorträge und Workshops sind das Herzstück von RuN e.V. „Und die Professorinnen und Professoren scheinen richtig Lust zu haben, diesen Impuls aufzunehmen”, so Malena Anthofer. „Sie sind immer offen für unsere Anliegen und Vorschläge, und es gab schon eine ganze Reihe von Kooperationsveranstaltungen mit LMU-Lehrstühlen.” So sprach der Jurist Professor Mathias Habersack über die Klimaverantwortung von Unternehmen im Gesellschaftsrecht, Professor Jens Kersten plädierte für einen besseren Naturschutz auch in der Verfassung, und die Geographin Professorin Julia Pongratz erläuterte physikalische Zusammenhänge zwischen menschlichem Handeln und natürlichem Erdsystem beim Klimawandel.

Karriereziel: Klimajuristin

Kooperationen außerhalb der Universität haben bereits etwa einen dreiteiligen Karriereevent mit der Climate Clinic e.V. der Bucerius Law School und der Bundesfachschaft der Jurastudierenden möglich gemacht: Via Zoom wurde dabei unter anderem der Alltag von Klimajuristen beleuchtet und gezeigt, wie diese Bauplanungsverfahren begleiten, Kommunen beraten oder vor Gericht für Umweltverbände kämpfen. Bei Jours fixes und Stammtisch-Abenden wird unter den RuN-Mitgliedern derweil heiß diskutiert: Mal geht es um den Rechtsstreit zur Dorfräumung am Braunkohletagebau Garzweiler II, mal um die Theorie der Nachhaltigkeit allgemein, mal um die Gesetzesvorschläge der Klimaschutzinitiative GermanZero. „Wir reden über ethische, rechtliche, politische und transformatorische Aspekte, über Ressourcenknappheit und Welthandel”, fasst Malena Anthofer zusammen.

Sie selbst interessieren besonders finanzielle Aspekte des Klimaschutzes: „Wie lässt sich diese Transformation, die jetzt vonnöten ist, überhaupt finanzieren?” Diese Frage betreffe insbesondere das Finanzverfassungsrecht. Daneben aber habe Nachhaltigkeit „in wirklich jedem Rechtsbereich” ihre Berechtigung: So stelle das Gesellschaftsrecht sicher, dass Unternehmen und Banken offenlegen müssten, wie nachhaltig sie investieren. Und das Klimastrafrecht, mit dem sich an der LMU Strafrechtsexperte Professor Helmut Satzger intensiv auseinandersetzt, stelle sicher, dass Vergehen gegen die Natur künftig besser geahndet werden können. „Wenn die Bundesrepublik im Jahr 2050 tatsächlich klimaneutral ist”, sagt Malena Anthofer und erläutert beispielhaft, welche Fragen dann aus juristischer Perspektive diskutiert werden müssen, „und man keine Emissionen mehr in die Atmosphäre geben darf, ohne sie an anderer Stelle zu kompensieren, dann müssten Verstöße dagegen ja auch strafbar sein. Aber an welches Verhalten könnte genau angeknüpft werden – und wer wäre das strafbare Subjekt?”

„Wissenschaftlich, nicht aktivistisch”

In der Zukunft plant der Verein eine Wissens-Datenbank zu solchen und anderen Themen, in der Dissertationen und Seminararbeiten veröffentlicht werden. Zudem will man Praktika und gemeinsame Publikationen vermitteln – und sogenannte „Moot Courts” zum Klimarecht anregen, simulierte Gerichtsverhandlungen zu Ausbildungszwecken also. An Themen dafür dürfte es nicht mangeln. „In super-vielen Rechtsbereichen gibt es Zusammenhänge mit Naturschutz und Nachhaltigkeit”, so Malena Anthofer, „und zugleich sieht man, wie diese Bereiche zusammenwirken.”

Auch in ihrem fachlichen Schwerpunktgebiet, dem Steuerrecht, müsste die Nachhaltigkeit noch stärker integriert werden, findet sie. Zwar fänden Nachhaltigkeit und Klimaschutz bereits Anklang, etwa im Ertragssteuerrecht. „Trotzdem fehlt es noch an ‚Awareness’”, sagt Malena Anthofer. „Mein größter Wunsch wäre es, dass das wissenschaftliche Potenzial der Nachhaltigkeit im Recht noch mehr Aufmerksamkeit erhält.” Dass sie und andere Studierende sich gerne dafür einsetzen, diesen Prozess zu beschleunigen, zeigt nicht zuletzt das Motto ihres Vereins: „Let‘s RuN!“.

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