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Forschungspreis für exzellente Studierende: Rechnen mit dem Klimawandel

27.07.2021

Wie sehr bedrohen Entwaldung und Klimaveränderung den Amazonas-Regenwald? Die Geographin Gergana Gyuleva hat für ihre Bachelor-Arbeit zu dieser Frage einen Forschungspreis für exzellente Studierende erhalten.

Feuchtigkeit steigt zwischen den Bäumen im Amazonas-Regenwald auf.

Der Regenwald macht sich ein Drittel seines Niederschlags selbst. Entwaldung bedroht dieses Niederschlags-Recycling. | © IMAGO / agefotostock

Kann ein Regenwald vertrocknen? Ein Ökosystem, das sich über die unvorstellbar große Fläche von sechs Millionen Quadratkilometern zieht, kippen? Ja, sagt die Klimaforschung. Es ist der Regenwald des Amazonas, der derart gefährdet ist, und das in zweifacher Hinsicht: durch den Klimawandel und durch Entwaldung. Er gilt als sogenanntes Kippelement, das heißt: Es gibt einen Moment, an dem sich der Regenwald nicht mehr halten kann und unwiderruflich zur Savanne wird.

Gergana Gyuleva wird öfter gefragt, was es denn mit der Debatte ums Klima auf sich habe, und sogar, ob es den Klimawandel denn wirklich gebe. Ja, antwortet die Studentin dann und erklärt, dass dies seit Langem wissenschaftlich bekannt ist.

Auch die Gefährdung des Amazonasregenwalds ist wissenschaftlich belegt. Klimaforscherinnen und -forscher vermuten, dass der Kippmoment bei einer Entwaldung von 20 bis 40 Prozent droht. Inzwischen sind bereits 17 Prozent des Walds verschwunden.

Auswirkungen auf den Niederschlag am Amazonas

In ihrer Bachelorarbeit am Department für Geographie der LMU hat Gergana Gyuleva diese hochaktuelle Frage aufgegriffen und die Niederschlagsverhältnisse im Amazonas untersucht, die entscheidend für sein Überleben sind. Der Regenwald macht sich ein Drittel seines Niederschlags selbst: Die Bäume verdunsten Feuchtigkeit, durch die sich Wolken bilden, sodass es erneut regnet.

Gergana Gyuleva hat nachgerechnet, welchen Effekt die fortschreitende Entwaldung und der Klimawandel auf dieses Niederschlagsrecycling haben. Dafür hat sie Daten aus einem sogenannten Erdsystemmodell genutzt, aus dem Modellierungsprojekt CMIP6. Klimaforscherinnen und -forscher greifen auf solche Simulationen zurück, da die Wirklichkeit zu komplex ist, um sie eins zu eins beobachten zu können. Selbst diese Modellierungen sind so umfangreich, dass sie nur auf Supercomputern laufen können, die Billiarden von Rechenoperationen pro Sekunde schaffen.

„Die Hauptergebnisse meiner Arbeit sind die starken Effekte des Klimawandels: eine statistisch höchst signifikante Reduktion des Niederschlags in der Trockenperiode sowie eine Verlängerung der Trockenperiode. Das ist von sehr großer Relevanz, weil die Zeit ohne Niederschlag darüber bestimmt, ob ein Wald zur Savanne wird oder nicht“, sagt Gyuleva. In ihrer Arbeit hat sie auch festgestellt, dass der Klimawandel den Niederschlagskreislauf stärker gefährdet als die Entwaldung. „Aber wir vermuten, dass das ein Resultat davon ist, dass die Modelle Szenarien verwenden, in denen die Amazonas-Entwaldung nicht besonders stark abgebildet ist.“

Denn klar ist, dass der Klimawandel drastische Folgen für den Wald haben könnte. So ist die längere Trockenperiode für die Bäume auch „ein großer Stressfaktor“, wie Gergana Gyuleva erläutert. „Zudem gibt es Indizien für eine Beschleunigung der Baumsterblichkeit mit voranschreitendem Klimawandel. Das könnte ein Indiz für den besagten Kipppunkt sein. Um das zu validieren ist allerdings weitere Forschung notwendig, insbesondere ein Vergleich von mehreren Modellen.“ Denn eigentlich habe die Forschung bislang gezeigt, dass die Folgen der Entwaldung genauso groß sein sollten wie die des Klimawandels. „Wenn der Wald entwaldet wird, kann es sein, dass nicht mehr genügend Bäume da sind, um den Niederschlag zu generieren.“

Ausgezeichnet mit dem Forschungspreis für exzellente Studierende

Die Klimaprojektionen des CMIP6, mit deren Daten Gergana Gyuleva gearbeitet hat, entstehen in internationaler Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen und sind Grundlage für die Weltklimaberichte. „Die Tatsache, dass ich mit frischen Daten aus diesen Modellen arbeiten kann, fand ich sehr faszinierend. Vegetationsprozesse werden erst seit Neuestem darin berücksichtigt.“

Die junge Geographin war die erste Wissenschaftlerin, die die Simulationen für die Frage des Niederschlagsrecyclings im Amazonas ausgewertet hat. Professorin Julia Pongratz vom Lehrstuhl für Physische Geographie und Landnutzungssysteme, die sie bei ihrem Projekt betreut hat, spricht daher von einer „Pionierarbeit“. Nun ist Gergana Gyuleva für ihre Bachelor-Arbeit auch mit einem Forschungspreis für exzellente Studierende im Rahmen des Tags der guten Lehre an der LMU ausgezeichnet worden.

„Das Erdsystem ist enorm komplex. Wenn man darüber forscht, wird man sich bewusst, dass Schalentiere im Südpolarmeer mit Vulkanausbrüchen auf der Nordhalbkugel zusammenhängen – und dass der Einfluss der Menschen überall präsent ist“, sagt Gergana Gyuleva.

Gergana Gyuleva hat sich der Klimaforschung verschrieben, seit sie im zweiten Semester die Vorlesung Klimatologie von Julia Pongratz gehört hat. „Das hat mich sofort mitgerissen.“ Sie hat dann sogar zusätzlich Physik mit Nebenfach Meteorologie studiert, um ihre grundlegenden Kenntnisse zu erweitern.

Das Thema ihrer Bachelor-Arbeit lag ihr auch persönlich nah, hat sie doch 2016 mit ihrer Familie bereits ein Jahr in Südamerika gelebt. Vor allem aber ist ihr daran gelegen, als angehende Wissenschaftlerin dazu beizutragen, dem Klimawandel zu begegnen. Die Fragestellung ihrer Bachelor-Arbeit führt sie auch fort und hat angefangen, zunächst im Rahmen eines Studi_forscht-Projekts an der LMU, die Ergebnisse verschiedener Modelle zu den Auswirkungen von Landnutzung und Klimawandel auf das Niederschlagsrecycling im Amazonas-Regenwald zu vergleichen. Inzwischen ist Gergana Gyuleva Masterstudentin der „Athmospheric and Climate Science“ an der ETH Zürich.

Gergana Gyuleva findet es manchmal schwierig, von den drängenden Fragen der Klimaforschung abzuschalten. „Man muss sein Wissen über die anstehenden Klimaveränderungen in gewisser Weise von seinem privaten Leben entkoppeln. Ich kann nicht die ganze Zeit darüber nachdenken.“ Was sie weiß, ist: Ein verschwundener Regenwald wäre nicht nur eine Katastrophe für die lokale Biodiversität und die dort lebende indigene Bevölkerung. Dies hätte auch Auswirkungen auf das Klima der gesamten Erde, da der Amazonas-Regenwald bislang als riesiger Kohlenstoffspeicher fungiert und mit dazu beigetragen hat, dass sich die Erde nicht noch schneller erwärmt. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass diese Rolle inzwischen schon gefährdet ist. Der drohende Kipp-Moment des Amazonas-Regenwalds, er ist eine Gefahr für das Klima der Welt.

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