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Klima macht Schule

26.06.2023

Nachhaltigkeitsthemen sind im Bildungsbereich noch nicht ausreichend vertreten. Katrin Geneuss erzählt im Interview, wie sich das ändern lässt.

Dr. Katrin Geneuss ist an der LMU für das Zertifikatsprogramm el mundo in der Ausbildung von Lehrkräften tätig. Das Angebot reagiert auf vielfältige Anfragen aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, die eine Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in den Lehrplänen als Querschnittsaufgabe betrachten. Sie ist außerdem beim Forschungsprojekt CDRterra für den Bereich Schulprogramme und nachhaltige Bildung verantwortlich. Das Projekt befasst sich mit den Potenzialen der Kohlenstoffdioxidentnahme aus der Atmosphäre. Im Oktober veranstaltet CDRterra eine Bildungskonferenz in München, bei der Beteiligte aus Forschung, Bildung und Politik zusammenkommen und eine Vision für nachhaltige Bildung erarbeiten.

Klimathemen in der Schule

Heutige Schülerinnen und Schüler sind die Generation, welche die unmittelbaren Folgen der Klimakrise am stärksten spüren wird. Sie müssen befähigt und ermächtigt werden, ihre eigene Zukunft zu gestalten.

© IMAGO/Pond5

Warum sollte man Klima- und Nachhaltigkeitsthemen überhaupt in den Schulunterricht einbinden?

Katrin Geneuss: Der Klimawandel ist die große Herausforderung unserer Zeit. Daraus lassen sich viele Aspekte ableiten, die wir nicht nur auf ökologischer, sondern auch auf sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene wiederfinden. Mit diesen Problemen müssen wir uns auseinandersetzen – jetzt und heute und mit Blick in die Zukunft. Es liegt darum auf der Hand, dass der Themenkomplex in der Schule behandelt werden muss. In Schulen wird die Bevölkerung in ihrer ganzen Breite abgebildet. Wir erreichen also alle, ungeachtet ihrer Bubble, der gesellschaftlichen Schicht oder der Herkunft. Außerdem sind heutige Schülerinnen und Schüler die Generation, welche die unmittelbaren Folgen der Klimakrise am stärksten spüren wird. Sie müssen befähigt und ermächtigt werden, ihre eigene Zukunft zu gestalten.

Was ist der Status quo? Wie wird das Thema derzeit an den Schulen aufgegriffen?

Im Zuge einer Studie von 2018 wurden Lehrkräfte befragt, inwiefern nachhaltige Entwicklung und Klimabildung in ihrer Lehramtsausbildung vorkamen. Achtzig Prozent der Befragten gaben an: Überhaupt nicht. Auch bei jungen Lehrerinnen und Lehrern zeichnet sich ab, dass die Fachdidaktiken weder Klimabildung noch Bildung für nachhaltige Entwicklung in ihren Kerncurricula fest verankert haben.

Dass Klimathemen heute in den Schulunterricht gelangen, ist auch ein großes Verdienst der Schülerschaft. Die Schülerinnen und Schüler haben nachweislich ein sehr großes Interesse an der Thematik und fordern von sich aus eine schulische Auseinandersetzung damit ein.

Inzwischen sind Klima und Nachhaltigkeit zwar als sogenannte Querschnittsthemen in den Lehrplänen verankert und damit verbindlich, aber die Frage, wann, wo und in welches Fach sie einfließen müssen, ist noch immer unbeantwortet. Lehrkräfte müssen sich das Wissen nach wie vor eigenverantwortlich aneignen. Oft ist auch nicht klar, wo im Lehrplan Platz und Raum ist, um die Themen sinnvoll anzusprechen. Es mangelt also an Materialien, an Zeit, an Strukturen und an Lehrplanvorgaben.

Welche Themen- und Fachgebiete umfasst das und welche Bildungskonzepte kommen dabei zum Einsatz?

Bildung für nachhaltige Entwicklung geht als Lehr-Lern-Konzept davon aus, dass die ökologische Komponente in der Klimabildung sehr zentral ist, aber nicht ohne den wirtschaftlichen und sozialen Aspekt auskommt. Diese drei Felder müssen wir immer zusammen denken. Daher rührt auch die Idee, Bildung für nachhaltige Entwicklung als Querschnittsaufgabe im Lehrplan zu verankern und in mehrere Schulfächer einzuweben. Hier besteht aber insbesondere bei der Frage der sozioökonomischen Folgen noch viel Nachholbedarf.

Wenn wir beispielsweise an eine konkrete CO2-Entnahmemethode denken, wie zum Beispiel eine Biomasseplantage mit CO2-Speicherung, müssen wir uns fragen: Was würde die Umsetzung dieser Maßnahme gesellschaftlich und ethisch bedeuten? Unser Projekt CDRterra ist so aufgespannt, dass man solche wichtigen Fragen in die Schulen trägt – und zwar in sämtliche Fächer, von Geographie über Physik und Biologie bis hin zum Deutsch- und Kunstunterricht.

Was ist das CDRterra-Projekt und worum geht es dabei?

CDR steht für Carbon Dioxide Removal. Also Methoden zur aktiven Reduktion von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Dazu gehört eine ganze Palette möglicher Ansätze, die teilweise kontrovers diskutiert werden – von der Aufforstung von Wäldern bis hin zu technischen Lösungen. Damit verbunden sind immer auch Fragen der Machbarkeit, der Verhältnismäßigkeit, der Kosten oder der Effektivität. Manche CDR-Maßnahmen haben unerwünschte Nebeneffekte zur Folge oder sie können in der Bevölkerung sowie in Politik und Industrie ein trügerisches Gefühl von Sicherheit auslösen.

Wir greifen uns also exemplarisch das große Thema CO2-Entnahme aus der Atmosphäre heraus und verwenden es als Modell, anhand dessen wir ein umfassendes Konzept für nachhaltige Bildung an Schulen entwickeln können. Im Oktober veranstalten wir dazu eine Bildungskonferenz, um die Ziele und Ergebnisse zu kondensieren und abzubilden. Wir wollen ein Exempel für Bildung in Sachen nachhaltiger Entwicklung statuieren und dabei evaluieren, an welchen Schrauben im Bildungssystem man drehen muss, damit es auch für Lehrkräfte leichter wird, diese Themen strukturell, inhaltlich und methodisch sinnvoll in die Klassenzimmer zu transportieren.

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Welches sind die besten Methoden, um solche Themen an die Schülerinnen und Schüler heranzutragen?

Fachwissen ist die Grundlage. Aber Fachwissen muss man nicht immer vermitteln oder dozieren, sondern man kann es sich auch gemeinsam erarbeiten. In dieser Hinsicht brauchen wir einen Paradigmenwechsel hin zu mehr Partizipation. Wir müssen Lernen auf Augenhöhe stattfinden lassen.

Gerade bei einem Thema wie CDR-Maßnahmen sehen wir: Es gibt kein richtig oder falsch. Es gibt Potenziale, Nachteile, Herausforderungen, Perspektiven. Dinge, die abgewogen werden müssen. Wir wünschen uns, dass Kinder und Jugendliche schon früh in solche komplexen Sachverhalte eingebunden werden. Um das effektiv zu schaffen, muss man neue Lernformen erarbeiten. Viele existierende Ansätze, wie zum Beispiel Planspiele, spielbasiertes Lernen und digitalgestützte Lernumgebungen, eignen sich als Ausgangspunkt hervorragend dafür. Alle Vermittlungsformen also, die durch Partizipation, Kreativität und soziales Lernen dazu führen, dass die Schülerinnen und Schüler Handlungs- und Gestaltungskompetenzen ausbilden. Dazu gehört, dass sie lernen, sich Wissen eigenständig anzueignen, dieses bewerten zu können und in der Folge kompetent zu handeln oder zu entscheiden.

Dr. Katrin Geneuss

Katrin Geneuss ist bei CDRterra für den Bereich Schulprogramme und nachhaltige Bildung verantwortlich. | © Anton Sieber

Wer ist zur CDR-Bildungskonferenz eingeladen und wie kann man sich einbringen?

Wir wollen auf der Konferenz das ganze Spektrum der Bildungslandschaft einbeziehen. Das sind zum einen Forschende aus der Hochschulbildung, die Best-Practice-Beispiele dafür geben können, wie sie das Thema CDR bereits einbinden oder wie und warum sie den Fokus auf bestimmte Vermittlungsformen legen. Außerdem beteiligt sind Personen aus dem Bereich Lehrerbildung und -fortbildung sowie natürlich das Lehrpersonal selbst – Lehrerinnen und Lehrer, Referendare und Schulleiterinnen. Aber auch Vertreter der außerschulischen Bildung, die das, was im Schulkosmos passiert, mit dem echten Leben verknüpfen. Eine weitere Säule bilden Entscheidungsträgerinnen, zum Beispiel aus den Ministerien, die essenziell sind, um erarbeitete Konzepte durchzusetzen. All diese Gruppen sollen auf der Konferenz in den Dialog miteinander treten und konstruktiv eine Vision dessen erarbeiten, wie Schule in Zukunft aussehen könnte und sollte. Im Moment stellen wir noch das Programm zusammen und freuen uns auf weitere Einreichungen. Wer sich also aus den Bereichen Forschung, Wissenschaft, Hochschuldidaktik, Schule oder Entscheidungsträger einbringen möchte, ist herzlich dazu eingeladen.

Die Bildungskonferenz zur CO₂-Entnahme von CDRterra findet vom 10. bis 11. Oktober 2023 im Deutschen Museum in München statt. Die Teilnahme an der Konferenz ist kostenfrei. Noch bis zum 1. Juli können Interessierte Vorschläge für Workshops oder Vorträge einreichen.

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