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„Medienforschung am Puls der Zeit“

15.01.2024

Ruth Wendt, Professorin für Kommunikationswissenschaft, befasst sich mit „Digital Literacy in Algorithmic Spaces“.

„Fake-News, Algorithmen, Online-Hass: So nah am Puls der Zeit zu forschen, ist sicher eine Besonderheit unseres Faches“, erklärt Professorin Ruth Wendt, die seit 2022 eine Professur für Kommunikationswissenschaft (KW) mit dem Schwerpunkt „Digital Literacy in Algorithmic Spaces“ an der LMU innehat. „Das sind super-aktuelle Phänomene, die die Studierenden auch persönlich kennen und in ihren Bachelor- und Masterarbeiten aufgreifen.“

Ruth Wendt studierte Pädagogik, Psychologie und KW an der LMU. „Diese Dreiteilung der Fächer im damaligen Magister – und ihr interdisziplinäres Zusammenspiel – verfolgte ich auch später in meiner Forschung weiter.“ 2014 promovierte sie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in KW zum Thema: Täter im Internet: Eine Analyse individueller und struktureller Erklärungsfaktoren von Cybermobbing im Schulkontext. Von 2010 bis 2015 arbeitete sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Universitäten Hohenheim und Münster und befasste sich anschließend bis 2017 als wissenschaftliche Referentin für Kinder, Jugendliche und Medien am Deutschen Jugendinstitut zum ersten Mal mit Digital Literacy.

Porträt von der Kommunikationswissenschaftlerin Professorin Ruth Wendt. Sie trägt einen schwarzen Pullover und ein hellgraues Jacket.

Professorin Ruth Wendt

© LMU/Jan Greune

Nachrichtenkompetenz gegen Fake News

Anschließend war Wendt Postdoktorandin am Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen. „Das Wirken an außeruniversitären Instituten ist für eine wissenschaftliche Karriere an der Universität vielleicht eher ungewöhnlich“, so Wendt. „Aber auch an den Universitäten hat man Praxisbezug und Wissenstransfer heute verstärkt im Auge.“ Im Sommersemester 2021 war Wendt Vertretungsprofessorin für KW an der LMU, bevor sie bis 2022 erneut am Deutschen Jugendinstitut tätig war und im gleichen Jahr wiederum an die LMU berufen wurde.

Ihre Forschungsschwerpunkte sind Medienkompetenz, -nutzung und -wirkung sowie Mediensozialisation und -erziehung. Besonders die Nutzung und Wirkung von digitalen Medien bei Kindern und Jugendlichen sowie in Familien und Schulen interessieren sie. In einem aktuellen Projekt geht Wendt etwa der Frage nach, wie Bildungsprogramme die Nachrichtenkompetenz von Jugendlichen fördern können – etwa, um Fake News besser zu erkennen. Ein anderes Projekt hat den Titel „Algorithmen und Künstliche Intelligenz im Alltag von Jugendlichen“.

Systematische Ergebnisse stehen zwar noch aus. „In Fokusgruppen haben wir aber bereits gesehen, dass Schülerinnen und Schüler prominente Programme wie ChatGPT durchaus für die schulische Arbeit nutzen, um Dinge auszuprobieren, kreativ zu sein, Hausaufgabeninhalte zu recherchieren.“ Generell habe sich gezeigt, dass Jugendliche oft theoretisch über eine große Medienkompetenz verfügen, sich online aber nicht entsprechend verhalten. „Wir fragen uns, warum das so ist.“ Die Antwort sei, „wie immer in den Sozialwissenschaften“, ein komplexes Zusammenspiel von Faktoren wie Peernormen, Vorbildung, Einstellung des Elternhauses etcetera.

Inhaltsanalysen von Internetposts

Dabei verstünden sie zwar sehr wohl, dass Social Media ihnen von Algorithmen ausgewählte Inhalte zeigen, fänden das aber oftmals „gar nicht so schlecht“, so Wendt. „Denn Algorithmen finden ja Dinge, die den Jugendlichen gefallen – und scheinen ihnen obendrein zu helfen, Struktur in die Informationsflut zu bringen.“ Andererseits habe man in den Fokusgruppen auch Ängste der Jugendlichen vor KI festgestellt, etwa im Hinblick auf ihre berufliche Zukunft. Da sich in den Fokusgruppen fast nur Gymnasiastinnen und Gymnasiasten finden, wird nun in einer Repräsentativstudie zusätzlich eine Stichprobe untersucht, die auch unterschiedliche Bildungsgruppen involviert.

Ein weiteres Forschungsthema Wendts sind sogenannte „sexuelle Mikroaggressionen“, etwa in den Kommentarleisten zu Posts von Influencerinnen. „Dabei kommt es natürlich oft auch zu schwerwiegenderer Aggression. Die Idee ist aber, bereits die subtilen, aber sehr häufig vorkommenden Mikroaggressionen besser greifen, definieren und verorten zu können“, so Wendt. Untersucht wird das etwa mit Inhaltsanalysen der Posts oder Interviews mit den Influencerinnen.

Auch die Lehre ihres Fachs wird von hochaktuellen Themen bestimmt. Momentan hält Ruth Wendt etwa ein Seminar zur Darstellung psychischer Erkrankungen in sozialen Medien. „Veranstaltungen wie diese kommen sehr gut an – und Studierende entwickeln ihre Forschungsthemen aus ihren eigenen Erfahrungen heraus."

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