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Was bringt den Menschen dazu, Klima und Umwelt zu schützen?

05.12.2022

Die Erde wird wärmer, die Arten weniger: „Es geht um uns, unsere Lebensbedingungen, die Luft, die wir atmen, das Mikroplastik in unseren Körpern", sagt Kommunikationsforscherin Julia Serong im Interview zur Weltnaturkonferenz.

Vom 7. bis 19. Dezember findet die Weltnaturkonferenz in Montreal statt. Ein Interview mit Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Julia Serong vom Munich Science Communication Lab (MSCL) über die Herausforderung, den Klimawandel und den Verlust der Biodiversität zu kommunizieren.

Vom Klimawandel liest man in den Medien viel. Ist auch das Thema Artenschutz ausreichend präsent?

Julia Serong: Beides kann man nicht voneinander trennen. Biodiversität ist ein Aspekt von Klimawandel. Die Beschlüsse, die auf der Klimakonferenz im November gefasst worden sind, werden Auswirkungen auf den Artenschutz haben. Aus Sicht der Medien gibt es daher eine gewisse Legitimität, sich auf den Klimawandel zu konzentrieren. Was dabei aus dem Blick gelassen wird, ist: Durch den Erhalt der Biodiversität können wir etwas tun, um den Klimawandel zu bekämpfen.

Zwei Jungen spielen am Yarakh Beach in Dakar, Senegal, Fußball, inmitten von Plastikmüll.

Wann schützen Menschen Umwelt, Klima, Artenvielfalt? "Auch wir Menschen sind Teil des Ökosystems", sagt Julia Serong und verweist auf die Folgen, die Klimawandel und Umweltzerstörung auch auf die Lebensbedingungen von Menschen haben.

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Klimawandel und Artenschutz zusammen denken

Ist das nicht so bekannt?

Das hat vielleicht damit zu tun, dass wir bei Artenschutz zuerst an die Tierwelt denken. In den 1990er-Jahren war der Wald schon Thema in den Medien in Deutschland – Stichwort Saurer Regen – aber erst jetzt wird durch die Forschung klar, wie wichtig auch der Erhalt der Wälder für den Klimaschutz ist, um Kohlenstoff zu speichern – nicht nur der Amazonas als grüne Lunge der Welt, auch der Wald hier vor Ort. Das wurde bislang nicht in Zusammenhang gesehen mit Artenschutz, bei dem viele konkret an bestimmte Tierarten denken wie Elefanten.

Aber wurden Fotos vom Eisbären auf der Scholle eine Zeit lang nicht häufig verwendet, um den Klimawandel zu bebildern?

Ja, vor zehn, 15 Jahren wurde Artenschutz oft vorgeschoben, um den Klimawandel zu veranschaulichen. Es wurde dann eben zum Beispiel auf die Eisbären in der Polarregion verwiesen. Doch durch die Fokussierung auf eine Tierart, die noch dazu weit weg lebt, ist das Thema Klimawandel in der Wahrnehmung zu eng geworden. Es mag sein, dass das dazu geführt hat, dass man daher stärker versucht, den Klimawandel in seiner ganzen Komplexität zu vermitteln.

Wie der Klimawandel die Gesundheit betrifft

Welche Rolle spielt Artenvielfalt für Planetary Health, die Sie im Rahmen des MSCL untersuchen?

Inzwischen hat sich in der Klimaforschung die Erkenntnis durchgesetzt, dass man in der Kommunikation den Klimawandel nicht nur auf Temperaturanstieg und CO2-Ausstoß fokussieren kann. Es gibt noch viel mehr Probleme. Da ist die Umweltverschmutzung, die ja nicht zu leugnen ist und ein Problem für den Artenschutz, aber auch für den Menschen darstellt. Es gibt natürliche Kreisläufe, die bisher ausbalanciert waren und nun aus dem Gleichgewicht geraten sind.

Das hat Folgen für die Biodiversität und den Lebensraum von Pflanzen und Tieren, aber auch von Menschen. Es betrifft eben nicht nur den Orang-Utan oder die Bienen, auch wir Menschen sind Teil des Ökosystems. Es geht nicht nur um die Umwelt und Grün, das schön aussieht, sondern um unsere Lebensbedingungen. Es geht um den Sauerstoff, den wir atmen. Es geht um Schadstoffe in der Luft, die Menschen und Tiere belasten.

Das Thema Mikroplastik zum Beispiel betrifft nicht nur die Meeresschildkröten, sondern das Plastik findet sich inzwischen auch in der Muttermilch von Menschen. Es betrifft uns selbst, sehr massiv. Das Konzept von Planetary Health versucht, diese Zusammenhänge stärker zu kommunizieren.

Es soll also aufgezeigt werden, dass es beim Klimawandel auch um Auswirkungen auf die individuelle Gesundheit von Menschen geht?

Ja, das ist ein Anliegen der Planetary-Health-Bewegung, die nicht nur von Klimaforschern vorangetrieben wird, sondern auch von Medizinern. Viele Krankheiten, bei denen man das vielleicht nicht sofort vermuten würde, zeigen einen starken Zusammenhang mit dem Klimawandel und Umweltfaktoren. Ob das jetzt Allergien sind oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die natürlich mit Hitze und Veränderungen der Luft zunehmen. Feinstaubbelastung macht sich direkt medizinisch bemerkbar.

Griffige Zahlen für die Klimapolitik

Beim Klimawandel ist vom 1,5-Grad-Ziel die Rede, beim Artenschutz gibt es jetzt ein 30-Prozent-Ziel, wonach 30 Prozent der Erde unter Naturschutz gestellt werden sollen. Wie wichtig sind solche Marker für die Kommunikation?

Sie sollen die Komplexität greifbar machen und das Problem konkretisieren. Das 1,5-Grad-Ziel ist sicherlich ein Instrument, um das Problem in politische Entscheidungen zu übersetzen und der Politik zu vermitteln: Wenn wir das Schlimmste verhindern wollen, müssen wir in diesem Bereich bleiben. Das ist wichtig für das politische System, um auch hinterher messen zu können, ob die Maßnahmen angemessen sind. Ob es der Bevölkerung hilft, die Dringlichkeit beim Klimawandel zu verstehen, das bezweifele ich eher.

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Warum?

Selbst wenn ich als einzelne Bürgerin sehr motiviert bin und sogar mein Verhalten ändere, ist es sehr schwierig, meinen eigenen Beitrag zum 1,5-Grad-Ziel in Beziehung zu setzen. Da wäre es wichtiger, von der Abstraktion wegzukommen und auf die eigene Betroffenheit und Solidarität im unmittelbaren Umfeld zu setzen.

Es ist eine große Herausforderung, dieses komplexe Problem Klimawandel zugleich zu kommunizieren als etwas, das global ist und systemische Veränderungen verlangt, aber auch den Einzelnen mitnimmt. Beim Klimawandel sind wir an einem Punkt angekommen, wo es beides braucht: Das politische System, das regulatorisch eingreift, und die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger. Ohne die wird es nicht gehen.

Warum spricht man dann nicht die beiden Zielgruppen getrennt an?

Die mediale Kommunikation hat sich in den letzten Jahren durch Social Media geändert. Die Interaktion von Naturschutzbewegung und Politik erfolgt vor Publikum. Dadurch entsteht eine Polarisierung dieser Themen, die auch zum Problem werden kann.

Die Klimaschutzbewegung müsste lernen, Zielgruppen besser zu identifizieren und welche Zielgruppe sie mit welcher Botschaft besser erreichen kann. Es gibt jedoch noch viel zu wenige empirische Belege, wie die Kommunikation über den Klimawandel wirkt und welche Gruppendynamiken und Wechselwirkungen entstehen können.

Zwei Eisbären auf einer Scholle, Kanada

Wie den Klimawandel und die Herausforderungen, die mit ihm einhergehen, erklären? Bilder von Eisbären auf einer schmelzenden Eisscholle erzählt von der Erderwärmung und ihren Folgen. Engen sie den Blick womöglich eher ein und lassen den Klimawandel als fernes Problem erscheinen?

© © Minden Pictures

Klima und Arten im eigenen Umfeld schützen

Also bietet sich der Artenschutz an, um stärker dafür zu motivieren, etwas für den Klimaschutz zu tun?

Als Einzelne tue ich mich leichter, eine Petition zu unterschreiben, dass der Baum um die Ecke nicht gefällt wird, oder Geld zu spenden, um eine bestimmte Tierart zu erhalten.

Der Klimawandel-Diskurs zielt dagegen viel stärker auf die individuelle Verhaltensänderung ab: auf Fleisch zu verzichten, weniger Auto zu fahren, nicht mehr mit dem Flugzeug zu reisen. Da ist dann die Frage, wie eine moralische Kommunikation so gestaltet werden kann, dass die Menschen nicht den Eindruck haben, ihr ganzes Leben sei falsch. Das führt schnell zu einer Überforderung. Es fällt dem Einzelnen in unserer Gesellschaft nun mal schwer, immer konsequent zu sein.

Ich glaube, dass zivilgesellschaftliche Strukturen und Mini-Kollektive helfen können, die Schere zwischen „ich alleine“ und „die globale Gesellschaft“ zu überwinden. Wenn ich in meinem eigenen Umfeld etwas machen kann und sehe, dass auch kleine Schritte etwas bewirken. Auch beim Artenschutz geht es eben nicht nur um die Orang-Utans, die weit weg sind. Schon jetzt wird versucht, Gartenbesitzern in urbanen Räumen klarzumachen, nicht so oft den eigenen Rasen zu mähen. Das ist Artenschutz, der zuhause anfängt.

Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Julia Serong

Julia Serong

forscht darüber, wie der Klimawandel kommuniziert wird | © Foto Koester

Dr. Julia Serong ist Research Director und Mitglied des Executive Boards des Munich Science Communication Lab und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU.

Julia Serong hat Kommunikationswissenschaft, Wirtschaftspolitik und Englisch an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster studiert. Von 2009 bis 2014 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der FU Berlin, wo sie zum Thema "Medienqualität und Publikum" promovierte. Von 2013 bis 2020 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin (Projektleitung) am Institut für Journalistik der TU Dortmund. Bis 2021 war Julia Serong Koordinatorin der Ad-hoc-Arbeitsgruppe "Faktizität der Welt" an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

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