06 Nov
05 Feb

Ringvorlesung des ZMR im WiSe 25/26

Termin:

donnerstags, 16-18 Uhr c.t.

6. November 2025 - 5. Februar 2026

Ort:

Vorlesungsraum S 001 Schellingstr. 3, Vordergebäude 80799 München

© Alexandra Popst

Ideale und Ideologien
Fach- und Rezeptionsgeschichte der Mediävistik im 20. Jahrhundert

Das Mittelalter erfüllte spätestens seit der Nationalromantik des 19. Jahrhunderts in Deutschland eine Rolle als stilisierte Sehnsuchtszeit mit ungebrochener kultureller oder nationaler Identität und einer festgefügten gesellschaftlichen Ordnung vor konfessioneller Spaltung, Industrialisierung und ‚Kleinstaaterei‘: In diese Epoche konnte man ein ideales Bild ganzheitlich gefassten Menschseins im Einklang mit der Natur – und diesseits moderner, rationalistischer Entfremdung – projizieren. Zugleich ließ sich diese Konstruktion einer verlorenen anthropologischen und soziokulturellen Idealität in unterschiedlicher Weise mit derjenigen einer nationalen Ursprünglichkeit verbinden.

Neben Phänomenen der Germanomanie, der ‚wissenschaftlichen‘ Rassentheorie und ihrer Auswüchse im Bayreuther oder im George-Kreis entstand eine neue Begeisterung für eine fiktional imaginierte Vergangenheit, in der sich das Reich als starker Herrschaftsverbund im Herzen Europas inszenieren ließ. Die Vereinnahmung germanischer und nordischer Mythologie fügte sich in ein neues Mittelalterbild, das sich laut Otto Gerhard Oexle als Waffe gegen die Weimarer Republik einsetzen ließ und als Kulisse für die Bühne des Dritten Reichs dienen musste.

Obwohl fachgeschichtliche Forschungen die zeittypischen Prägungen der historischen Wissenschaften ebenso wie ihre Ausblendungen und ‚blinden Flecke‘ grosso modo aufgearbeitet und in Teilen auch die Rezeption mediävistischen Wissens in Literatur, Kunst und Politik zwischen kreativer Umdeutung und ideologischer Instrumentalisierung rekonstruiert haben, bleibt hier noch einiges zu tun. Nicht zuletzt die aktuelle Vereinnahmung älterer mediävistischer Forschung durch die Neue Rechte kann zudem Anlass geben für einen zweiten Blick auf die Fachgeschichte.

Die Ringvorlesung des ZMR beleuchtet vor diesem Hintergrund Funktionen und Funktionalisierungen, Idealisierungen und Ideologisierungen der Wissenschaften vom Mittelalter zwischen dem 19. Jahrhundert und der Gegenwart; ein Schwerpunkt liegt dabei auf konkreten Beispielen aus dem Wissenschaftsbetrieb der LMU.

Das Programm der Ringvorlesung finden Sie hier (PDF, 487 KB).

Geleitet wird die Ringvorlesung von Dr. des. Alexandra Popst und PD Dr. Markus Müller. Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne direkt an das Leitungsteam.