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***Rückblick: Zehn Jahre „Laudato si‘“ – Franziskus’ Erbe für die Schöpfung***

03.10.2025

Interdisziplinäre Tagung in Kooperation mit der Katholischen Akademie Bayern, der Stiftung für Kulturelle Erneuerung und der Katholisch-Theologische Fakultät der LMU

© Katholische Akademie in Bayern

Anlässlich des zehnten Jahrestags der Enzyklika Laudato si’ fand eine interdisziplinäre Tagung unter Leitung von Prof. Dr. Markus Vogt (LMU) und Dr. Martin Dabrowski (Katholische Akademie in Bayern) statt. Die Veranstaltung brachte Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Kirche, Gesellschaft und Kunst zusammen, um die Wirkungsgeschichte und aktuelle Relevanz des päpstlichen Lehrschreibens zu reflektieren.

Laudato si’ gilt als eines der zentralen Vermächtnisse von Papst Franziskus. Sie erweitert die katholische Soziallehre um eine ökologische Dimension und versteht den Schutz der Schöpfung als untrennbar mit sozialer Gerechtigkeit verbunden. Prof. Markus Vogt stellte in seiner Einführung heraus, dass die Enzyklika eine „integrale Ökologie“ formuliert – ein Denken, das ökologische, soziale und kulturelle Herausforderungen systemisch zusammendenkt. Trotz ihrer weltweiten Resonanz bleibe sie jedoch ein „uneingelöstes Versprechen“: Der anfängliche Aufbruch des Jahres 2015 sei vielerorts einer Transformationsmüdigkeit gewichen.

Zentral diskutiert wurde, inwiefern Franziskus’ Kritik am „technologischen Paradigma“ und ökonomischen Rationalitäten der Komplexität heutiger Transformationsprozesse gerecht wird. Ist das befreiungstheologisch geprägte Verständnis gesellschaftlicher Veränderung angesichts geopolitischer Machtverschiebungen noch tragfähig? Und welche Rolle kann die Kunst spielen, um ein neues Naturverständnis jenseits reiner Zweckrationalität zu fördern?

Die Tagung verstand sich nicht nur als Rückblick, sondern als Impuls zur Weiterführung. Im Fokus stand die Verbindung von Spiritualität, Wissenschaft und gesellschaftlicher Verantwortung – insbesondere vor dem Hintergrund globaler Klima- und Friedensfragen. So wurde die Tagung zu einem lebendigen Forum, das die Aktualität von Laudato si’ im Zeitalter des Anthropozäns verdeutlichte – als Aufruf zu einer „ökologischen Umkehr“, die nicht nur Wissen, sondern Haltungswandel verlangt.

Aufnahme des Oratoriums "Wir sind Erde"

Ein Höhepunkt der Tagung war die Vorstellung des weltlichen Oratoriums „Wir sind Erde“, das die Enzyklika Laudato si’ musikalisch interpretiert. Das von der Stiftung für Kulturelle Erneuerung in Auftrag gegebene Werk wurde am 13. November 2022 von Musikerinnen und Musikern der Berliner Staatskapelle unter Leitung des Komponisten Gregor A. Mayrhofer in der Philharmonie Berlin uraufgeführt. Das Libretto stammt von Prof. Markus Vogt.

Gezeigt wurden Ausschnitte aus der Dokumentation von Regisseur Max Kronawitter zu Entstehungsprozess und Uraufführung des Oratoriums "Wir sind Erde".

Impressionen

Kontrovers wurde aus sozialethischer, wirtschaftswissenschaftlicher, juristischer und zivilgesellschaftlicher Perspektive über die Bedeutung der vor 10 Jahren von Papst Franziskus verfassten Enzyklika "Laudato si'" zur sozial-ökologischen Transformation diskutiert. Auf dem Podium: Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins, Prof. Dr. Markus Vogt, Pirmin Spiegel (ehem. Hauptgeschäftsführer Misereor) und Dr. Matthias Belafi (Leiter Katholisches Büro Bayern).

In seiner Keynote bezog sich Prof. Dr. Ottmar Edenhofer (Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung) auf einen Satz der Enzyklika, "der in seiner revolutionären Bedingung kaum verstanden wurde: Das Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen und für alle.“ (Laudato si' 23) Jedwede Klimapolitk lege sich wegen der Entwertung fossiler Ressourcen automatisch mit den Autokratien an. Einen ökonomischen Lösungsansatz sieht Edenhofer in den Klima-Außenzöllen der EU, die auch unwillige Staaten zu Klimaschutzmaßnahmen bewegen könnten.

„Die gesamte Gesellschaft – und in ihr in besonderer Weise der Staat – hat die Pflicht, das Gemeinwohl zu verteidigen und zu fördern.“ (Laudato si’, 157) – Auf dieses Zitat bezog sich die Greifswalder Juristin Prof. Dr. Sabine Schlacke und attestierte der Enzyklika "Strahlkraft bis ins Völkerrecht". Das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs (Juli 2025), das Klimaschutz als "völkergewohnheitsrechtliche Pflicht" benennt, zeige ebenso wie das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (2021), dass Gerichte und Zivilgesellschaft Verantwortung übernehmen könnten und sollten, um Staaten zum Handeln zu bewegen.

Während der Studientagung kamen Teilnehmende bei angeregten Gesprächen über Laudato si’ und die Zukunft einer sozial-ökologischen Transformation zusammen – in den schönen Räumlichkeiten der Katholischen Akademie in Bayern bei Speis und Trank.

Zu dem weltlichen Oratorium „Wir sind Erde“ von Gregor Mayrhofer (Komposition) und Markus Vogt (Libretto), das die Enzyklika Laudato si‘ vertont, wurden Ausschnitte eines Dokumentarfilms gezeigt und Auszüge daraus in einer kleinen Besetzung live aufgeführt, wunderbar interpretiert von Mezzosopranistin Bella Adamova und Gregor Mayrhofer am Klavier.

Zum Themenkomplex "Klimawandel und Religion im Spiegel von Musik" trugen im letzten Teil der Tagung Joseph Bastian (Chefdirigent und Künstlerischer Leiter der Münchner Symphoniker), Ullrich Haider (Orchester des Wandels e.V., Hornist bei den Münchner Philharmonikern) und Dr. Jakob Johannes Koch (Kulturreferent der Deutschen Bischofskonferenz, Sänger) inspirierende Gedanken und Praxisbeispiele bei. Das Panel moderierte MZN-Mitglied Dr. Stefanie Strigl (Musikwissenschaft, LMU)

© Katholische Akademie in Bayern

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